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Zur Zeit ist sie in aller Munde. Manche haben Angst vor ihr, andere wieder schüren Ängste mit ihr. Und für einige ist sie ganz einfach nur ein Reizwort: die EU-Erweiterung. Ohne Emotionen gesehen ein logischer Schritt des "Projektes Europa", das wohl kaum an den gegenwärtigen EU-Außengrenzen haltmachen kann und darf - es sei denn, man wünscht sich ein Europa der Zweiklassengesellschaft.
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Die Position der SPÖ ist klar: Wir wollen die EU-Erweiterung. Bei aller Notwendigkeit von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Standards in den Beitrittsländern und von entsprechenden Übergangsbestimmungen - das europäische Projekt darf nicht am früheren Eisernen Vorhang enden! Wir wollen keine neuen Spaltungen innerhalb Europas, wir wollen vielmehr, dass Österreich wieder im Zentrum eines geeinten Europa eine wichtige Rolle spielt. Derzeit fällt Österreichs Außenpolitik bestenfalls durch Ignoranz auf. Das widerspricht meinem Verständnis von internationalen Beziehungen!
Österreich ist das Land, das am meisten von der Erweiterung betroffen ist. Deshalb ist es notwendig, dass unser Land in der Diskussion an der Spitze steht. Welche Alternative gäbe es sonst, stabile und gerechte soziale Verhältnisse in Europa zu sichern und eine demokratische Entwicklung zu garantieren, als die politische und wirtschaftliche Einbindung der mittel- und osteuropäischen Länder in die EU-Strukturen?
Wir müssen uns bewusst sein, dass es bei einer Erweiterung um die bwusste Verfolgung der EU als Friedensprojekt geht. Es geht uns darum, eine in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht unbefriedigende Spaltung in Europa zu überwinden - mit Realismus, mit Augenmaß, aber auch mit der Vorstellung eines starken Europa.
Natürlich bringt eine Erweiterung der EU auch Probleme mit sich. Und genau auf diese sollte bewusst hingewiesen werden.
Es ist aber auch eine Tatsache, dass uns die bestehenden Verhältnisse bereits jetzt in Europa große Schwierigkeiten bereiten. Und es ist Aufgabe der europäischen Politik, kurz-, mittel- und langfristig jene Veränderungen herbeizuführen, die das Wohlstands- und Normengefälle in Europa möglichst rasch reduzieren und zu einer Angleichung der Verhältnisse führen lässt. Denn: Entweder stabilisiert der Westen Osteuropa oder aber Osteuropa destabilisiert den Westen.
Diese Veränderungen sind weder zum Nulltarif zu haben noch ist eine Strategie zielführend, die den Wohlstand der einen Hälfte Europas auf Kosten der anderen Hälfte bewahren bzw. heben möchte. Nur gezielte Hilfe und Unterstützung der Wachstumsprozesse unter ebenso gezielter Berücksichtigung der sensiblen Bereiche in Westeuropa kann das gemeinsame Wachstumspotential ausnützen. Langfristig gesehen erscheint der Abbau der Wohlstandsunterschiede als optimale Strategie.
Dazu gehören Spielregeln: So bedarf es bei der Zusammenführung der Arbeitsmärkte einer schrittweisen Vorgehensweise. Besonderes Augenmerk muss auf die Umsetzung des EU-Sozialrechtes sowie der Gewerkschaftsrechte in die Praxis gerichtet werden. Bei der Erfüllung dieser Grundvoraussetzung soll und muss die EU den Kandidaten helfen. Den Beitrittskandidaten muss auch die entsprechende Zeit für die Entwicklung ihrer Wirtschaft gegeben werden.
Über eines müssen wir uns bei diesen Überlegungen im klaren sein: Die Neuordnung Europas und der Nutzen, den wir aus einem gemeinsamen und starken Kontinent ziehen können, ist nicht umsonst zu haben. Es ist in diesem Zusammenhang verständlich, dass die einkommensschwächeren EU-Länder nicht unter bzw. durch den Beitritt der Länder Mittel- und Osteuropas "leiden" wollen. Aber es muss ebenso einsichtig sein, dass die Erweiterung nicht nur durch die bisherigen Nettozahler finanziert werden kann. Dabei ist eine schwierige Gratwanderung zu unternehmen, damit keine schroffe Spaltung in Geber- und Empfängerländer entsteht. Von nationalistisch gefärbten Auseinandersetzungen profitiert nur die nationalistisch und chauvinistisch eingestellte Rechte!
Unterm Strich zeichnet sich deutlich ab: Die EU-Erweiterung ist keinesfalls ein Schreckgespenst, sondern eine große Chance für Europa und für Österreich. Diese gilt es zu erkennen anstatt in einen peinlichen Streit über den Regierungsbeauftragten der Erweiterung zu verfallen.
Es geht bei der Erweiterung nicht um ein Null-Summenspiel, in dem der eine gewinnt, was der andere verliert.
Ein gemeinsamer Aufschwung ist möglich. Und er ist die beste Chance für beide Hälften Europas!