Felderer: Grundsteuer hat geringste Auswirkungen auf Wirtschaftsstandort. | Wifo: 500 Millionen Mehreinnahmen, ohne Landwirtschaft und Eigenheime. | Grillitsch gegen höhere Belastung der Bauern. | Wien. Die Arbeiterkammer (AK) ist empört: Finanzminister Josef Pröll hat eine Neubewertung der Einheitswerte der Land- und Forstwirtschaft vorerst abgesagt. Für die Bauern gibt es daher vorerst keine Erhöhung der Grundsteuer. Es ist auch kein Zeitpunkt dafür vorgesehen.
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Die AK, aber auch die SPÖ reagierte mit massiver Kritik auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf des Finanzministeriums. Otto Farny, AK-Steuerexperte, verwies darauf, dass die Einheitswerte seit 1988 nicht angehoben wurden, daher weder die Steuern noch die Sozialversicherungsbeiträge der Bauern auf dem heutigen Stand sind. "Gerade in Zeiten einer erheblichen Wirtschaftskrise kann sich nicht eine gesamte Berufsgruppe der Einkommensbesteuerung entziehen", betonte Farny.
Schon jetzt, so die AK müsse die Allgemeinheit die Hauptlast der bäuerlichen Pensionsversicherung tragen. Farny verweist etwa darauf, dass die bäuerliche Pensionsversicherung zu 79,5 Prozent aus dem Budget finanziert wird, für Arbeitnehmer im ASVG muss der Steuerzahler nur mit 17 Prozent aufkommen.
SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer verweist auf das Gesetz (siehe Kasten), wonach die Einheitswerte alle neun Jahre einer Hauptfeststellung zu unterziehen sind. "Das muss also heuer passieren und ich gehe auch davon aus, schließlich hat Finanzminister Josef Pröll einen Eid auf die Verfassung abgelegt."
Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist die Grundsteuer. Die Einheitswerte sind die Basis für die steuerliche Bewertung, ist diese Basis höher, wird auch die Steuer höher. "Das ist so, als würden Arbeitnehmer auf Basis ihres Einkommens vor 22 Jahren Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen", sagt Krainer. Er schlägt vor, dass die steuerliche Bemessung der Bauern überhaupt umgestellt wird: Sie sollten eine Einnahmen-Ausgabenrechnung führen. "Das wäre viel gerechter. Viele Bauern müssten dann auch weniger Steuer zahlen", ist Krainer überzeugt. Das fordert auch die AK.
IHS-Direktor Bernhard Felderer sieht allerdings noch einen anderen Grund hinter der Verschiebung der Hauptfeststellung der Einheitswerte: Die Regierung setze auf Zeit und werde wohl oder übel eine höhere Grundsteuer ins Auge fassen. Schließlich müssen 1,7 Milliarden mehr an Steuereinnahmen zur Budgetkonsolidierung kommen - und das schon im kommenden Jahr. "Die Grundsteuer ist die einzige Steuer, die man ohne Schaden für den Wirtschaftsstandort erhöhen könnte", sagt Felderer zur "Wiener Zeitung".
Wenn man die Eigenheimbesitzer mit Freibeträgen zwischen 300.000 und 100.000 Euro ausnehme, kämen dadurch laut Felderer zwischen 500 Millionen und 1,2 Milliarden in die Kassa des Finanzministers.
Auch das Wifo berechnete, dass eine Annäherung des Einheitswertes an den Verkehrswert bei einem Steuersatz von 0,5 Prozent mindestens 500 Millionen Mehreinnahmen bringen würde - in dieser Berechnung sind landwirtschaftliche Betriebe und Eigenheime nicht berücksichtigt. Nimmt man diese dazu, ergäbe das Mehreinnahmen von einer Milliarde Euro.
Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch lehnt eine höhere Grundsteuer für Bauern ab. Viel lieber wären ihm höhere Steuern auf Tabak und Alkopops oder auch die von Bundeskanzler Werner Faymann vorgeschlagene Aufhebung der Spekulationsfrist bei Aktienverkäufen (derzeit nach einem Jahr steuerfrei).
Wissen: Verkehrswert und Einheitswert
* Der Verkehrswert wird laut § 194 BauGB durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheiten und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
* Die Einheitswerte (laut Hermann Peyerl, Universität für Bodenkultur Wien) sind grundsätzlich in Zeitabständen von neun Jahren durch Hauptfeststellung zu ermitteln. Darüber hinaus ist der Einheitswert unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise durch Fortschreibung neu festzustellen.
Bei der Feststellung der Einheitswerte finden je nach Vermögensart unterschiedliche Wertmaßstäbe Anwendung. Während für land- und forstwirtschaftliches Vermögen ein Ertragswert festgestellt wird, ergibt sich der Einheitswert des Grundvermögens aus dem Bodenwert als gemeinem Wert und dem Gebäudewert bei bebauten Grundstücken.
Der Gebäudewert ist aus dem Neuherstellungswert auf Basis der festgesetzten Durchschnittspreise abzuleiten.