Andreas Babler ist Parteichef, nicht Hans Peter Doskozil. Die Wahlergebnisse waren vertauscht worden.
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Knapp vor halb vier Uhr am Nachmittag hat die SPÖ kurzfristig zu einer Pressekonferenz der Wahlkommission geladen. Immerhin war im Eifer des Gefechts auf dem Parteitag eine Stimme abhandengekommen. Darf nicht passieren, kann passieren. Der Lapsus war dem ORF-Journalisten Martin Thür aufgefallen, als er die Stimmen für Hans Peter Doskozil und Andreas Babler zusammenzählte und auf 595 kam, nicht aber auf 596, die laut der Wahlkommission eine gültige Stimme abgegeben hatten. Wahlentscheidend war diese eine Stimme nicht. Aber Ordnung muss sein.
Michaela Grubesa, die Leiterin der Kommission, hatte sich am Montag in der Parteizentrale auf die Suche nach der verlorenen Stimme gemacht und diese auch gefunden. Sie war ungültig. Das war die Nachricht, für die eine eigene Pressekonferenz nötig war? Doch Grubesa fuhr fort. Ihr sei ein weiterer "außerordentlicher Fehler aufgefallen". Und was dann kam, ist eine der verrücktesten Grotesken der jüngeren politischen Geschichte Österreichs. Und die ist an Grotesken in letzter Zeit nicht gerade arm.
Tatsächlich waren am Parteitag die Resultate der beiden Kandidaten vertauscht worden. Ein "technischer Fehler", sagte Grubesa, die auf Nachfrage gestand, dass es ein "menschlicher Fehler" gewesen sein. Er sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert. Die Listen aus den diversen Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden, dabei ist der Fehler geschehen: "Das Ergebnis wurde umgedreht", sagte Grubesa.
Ergebnis hatte die Stimmung in Linz konterkariert
An dieser Stelle sei explizit erwähnt: Das ist kein Witz, der 1. April liegt Monate zurück, es ist tatsächlich passiert und Andreas Babler ist nun Parteichef der SPÖ, nicht Hans Peter Doskozil. Es bedeutet, dass damit auch der Schein des Parteitages nicht getrügt hatte, wonach der Jubel bei der Rede Bablers am Samstag doch deutlich lauter war. Da aber der trügerische Schein ganz allgemein in der Politik ein steter Begleiter ist, hatte darob in Linz niemand Verdacht geschöpft.
Es waren viele Journalisten und Journalistinnen beim Parteitag dabei, rund 160, wie Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch eingangs stolz erwähnt hatte. Und so gut wie allen war der doch klar vernehmbare Unterschied in der Rezeption der beiden Reden aufgefallen, sowohl während der Wortmeldungen wie auch danach. Der Zwischenapplaus war noch naheliegend. Doskozil hatte sich nämlich für eine defensive und mit Selbstkritik angereicherte Rede entschieden. Da johlt es sich schlechter als bei einem kämpferischen Furor, für den sich Babler entschieden hatt. Doch auch nach der Rede war der Applaus bei Babler ausdauernder und die Jubel-Rufe lauter.
Niemand aber schöpfte am Samstag auch nur irgendeinen Verdacht, dass das Ergebnis vertauscht worden sein könnte. Zwar merkten so gut wie alle Kommentatoren an, dass zwischen dem Resultat pro Doskozil und der Wahrnehmung im Design Center pro Babler eine gewisse Dissonanz gelegen hatte. Doch viel plausibler als ein derartiger Fehler schien, dass die ostenative Euphorie der Fans des Traiskirchner Bürgermeisters dazu dienen sollte, den Außenseiter quasi per Akklamation zum Sieg zu treiben. Wer denkt schon an Excel-Listen? Außer Martin Thür, dem eben diese eine fehlende Stimme aufgefallen war, die am Montag in der Löwelstraße die Nachschau bedingte und zu einer abermaligen Auszählung – und zu einer ungeheuren Wende der roten Neuaufstellung.
Grotesker Schlusspunkt eines eigentümlichen Prozesses
Es ist der Schlusspunkt eines an Gedankenlosigkeiten und Pannen reichen Prozesses. Die Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wollte sich ursprünglich auf einem Parteitag bestätigen lassen, um den schwelenden Konflikt mit Hans Peter Doskozil final zu entscheiden. Sie musste dann aber den Umweg über eine Mitgliederbefragung gehen. Vermutlich hätte sie diese auch gewonnen und wäre in Linz auf der Bühne und zur Wahl gestanden. Wäre nicht mittendrin ein dritter Kandidat erschienen: Andreas Babler erreichte erst Platz zwei in der Befragung, trat in Linz an, da er sich nicht an die Vereinbarungen von Doskozil und Rendi-Wagner gebunden gefühlt hatte, selbst bei nur einer Stimme zurückzuziehen.
Doskozil reagierte am Nachmittag gefasst, wenn auch tief enttäuscht. Seit dem Vormittag habe es Gerüchte über Fehler gegeben, um 14 Uhr sei noch einmal ausgezählt worden, sagte Doskozil in einer Pressekonferenz. Es sei ein "Tiefpunkt für die österreichische Sozialdemokratie". Das Ergebnis sei zur Kenntnis zu nehmen, "auch wenn es keine angenehme Situation ist", so Doskozil, der tags zuvor von einem "Lebenstraum" gesprochen hatte. Dieser Traum ist am Montag für ihn jäh geplatzt.
Doskozil verabschiedet sich aus Bundespolitik
Es bedeutet für den Landeshauptmann auch das Ende der größer angelegten Pläne. "Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Male abgeschlossen", sagte Doskozil. Ob es auch ein schleichender Abschied aus der Politik insgesamt sein wird, ließ er offen. "Wenn ich (im Burgenland, Anm.) der Kandidat bin, der die Partei ziehen kann, dann werde ich wieder antreten, wenn ich die Entscheidung treffe, dass ich das nicht bin, dann nicht", sagte er.
Babler trat kurz nach halb sechs Uhr im Parlament vor die Medien. Er schien ebenfalls fassungslos, hielt keine Rede, sondern verlas eine Stellungnahme – im Gegensatz zu seinem Auftritt in Linz vollkommen dialektfrei. Er erwarte sich "absolute Transparenz", diese Klarheit "schulden wir den Mitgliedern". Die Wahlkommission sei nun am Zug, sagte Babler, der eine weitere Überprüfung verlangte. Sollte deren Ergebnis mit jenem von Montag übereinstimmen, "dann werde ich das Amt übernehmen". Danach entschuldigte sich Babler "aus tiefsten Herzen". Auch er sprach von einem "Tiefpunkt", der durch nichts zu relativieren sei.
Die politische Konkurrenz schwankte zwischen Häme und Spott. "Wer keine Wahlen organisieren kann, wird auch keine gewinnen", schrieben die Neos auf Twitter. Die ÖVP sprach von "völligem Chaos" und die Grünen schickten einfach nur dieselbe Aussendung wie am Samstag aus, änderten nur den Namen des Gewinners, dem sie in der Aussendung gratulierten.
Update 18:04 Uhr: Der Agenturtext wurde mit der Printversion ersetzt.
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