Spindelegger hat vom Vorstand eine generelle Ermächtigung. | Warnung vor übersteigerten Erwartungen. | "Wiener Zeitung": Ist Michael Spindelegger der Obmann, der die Volkspartei aus ihrer schwierigen Situation herausführen kann? | Herbert Sausgruber: Ja, seine Nominierung war erfreulicherweise einstimmig, und der Parteivorstand hat Spindelegger die Ermächtigung erteilt, sich seine Mannschaft selbst zusammenstellen zu können. Er hat hier völlig freie Hand.
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Mit Verlaub, die rhetorische Zusicherung, sich das eigene Team selbst aussuchen zu können, hatte in der Vergangenheit doch praktisch jeder Obmann. Die Realität hat dann jedoch anders ausgeschaut. Ist es diesmal mehr als eine Floskel?
Ja, in dieser formellen Art ist diese Zusicherung tatsächlich neu. Spindelegger hat so etwas wie eine Generalermächtigung vom Vorstand erhalten. Natürlich gibt es überall praktische Grenzen, aber ich erachte dies für einen positiven Start. Jetzt wird es wichtig sein, die Erwartungshaltungen nicht ins Unmögliche zu übersteigern: Die Nominierung Spindeleggers ist ein positives Signal in einer für die ÖVP schwierigen Situation.
Im Leitartikel eines bürgerlichen Chefredakteurs heißt es zum Abgang Josef Prölls von der politischen Bühne, die ÖVP sei eine Partei, die ihre Zukunft bereits hinter sich habe. Was sagen Sie zu dieser düsteren Prognose?
Leitartikel wurden schon sehr viele geschrieben, und die Meinungen, die darin zum Ausdruck gebracht wurden, sollen sich ja auch schon öfters geändert haben. Von daher ist es nicht entscheidend, was geschrieben wird. Entscheidend ist dagegen, in der politischen Mitte, die in Österreich sehr wohl mehrheitsfähig ist, wieder Profil zu gewinnen - und zwar personell wie inhaltlich.
Wenn man mit SPÖ-Funktionären zuletzt geredet hat, so bekam man zu hören, die ÖVP möge bitte genau so bleiben, wie sie im Moment gerade ist.
Das mag schon sein, aber das Wohlbefinden der politischen Mitbewerber ist sicherlich nicht der Maßstab, an dem wir uns orientieren sollten. Das Ziel der Österreichischen Volkspartei muss es sein, sich eben wieder erfolgreich in der politischen Mitte zu positionieren und dann dafür zu sorgen, dass die notwendigen Entscheidungen für das Land von der Bundesregierung getroffen und umgesetzt werden. Dass jetzt die Partei in dieser schwierigen Situation Einigkeit demonstriert, war dafür die erste Voraussetzung. Ich hoffe, dass es auch in Zukunft dabei bleibt. Ist dem so, sind das dann auch die Erfolgsfaktoren, auf die wiederum die Damen und Herren Leitartikler reagieren werden.
In welchen Themenbereichen muss die ÖVP denn ihr Profil schärfen?
Aus meiner Sicht muss es hier um die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und des Mittelstands gehen, um Reformen im Gesundheits- und Familienbereich. Und natürlich gehören dazu auch notwendige Veränderungen im Verwaltungsbereich.
Unter den zahllosen Gerüchten über mögliche ÖVP-interne Personalrochaden, die derzeit kursieren, wird auch der Name Karlheinz Kopf genannt. Ihr Vorarlberger Landsmann könnte seinen Posten als Klubobmann im Nationalrat verlieren, heißt es. Dagegen würden Sie wohl Einspruch erheben, oder?
Kopf hat zweifellos unsere volle Unterstützung. Das wäre die Kehrseite der Generalermächtigung Spindeleggers durch den Vorstand, dass eben auch die eigenen Personalwünsche beschnitten werden könnten. In der Sache selbst habe ich jedoch keine Hinweise, dass es Überlegungen in diese Richtung gibt.
Ist Spindelegger auch der logische Spitzenkandidat der Volkspartei für die nächsten Nationalratswahlen?
Ja, davon gehe ich aus. Die Nominierung hat den Sinn, dass Obmannschaft und Vizekanzleramt in einer Hand liegen, da gehört diese Frage auch dazu.
Zur Person
Herbert Sausgruber (64) ist seit 1986 ÖVP-Landesparteiobmann und seit 1997 Landeshauptmann von Vorarlberg. Der studierte Jurist ist verheiratet und Vater von drei Kindern.