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Sport als Regenerationskur für zerstörte Gehirnzellen

Von Rosemarie Kappler

Wissen

Behandlung hat Überlebenschancen enorm verbessert. | Hirnleistung ist aber häufig messbar verschlechtert. | Homburg. Mit geschickten und auf den jeweiligen Fall zugeschnittenen Kombinationen aus Strahlen- und Chemotherapie haben Kinderonkologen in den letzten Jahren die Überlebenschancen von Kindern mit Hirntumoren entscheidend verbessern können. Doch wo Licht, da auch Schatten. Denn gerade diese effiziente Behandlung verkraftet das Gehirn schlecht, da häufig nicht nur tumoröses Gewebe, sondern auch gesunde Hirnzellen dabei vernichtet werden.


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"Für viele Kinder bedeutet dies einen messbaren Verlust an Hirnleistung bis zu 30 IQ-Punkten", erklärt Prof. Norbert Graf, Leiter des Kinderkrebszentrums am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Dort hat nun ein Pilotprojekt begonnen, das betroffenen Kindern mit Sport und Psychotherapie helfen will, wenigstens einen Teil der verlorenen Fähigkeiten zurückzuerobern.

Oft sind motorische Ausfälle und Gleichgewichtsstörungen sowie Depressionen, Antriebsschwäche und Kränkbarkeit die Folgen einer Intensivbehandlung. "Kinder und Jugendliche, aber auch die Angehörigen, müssen in einer solchen Situation erfahren und damit klarkommen, dass aus einer normalen Begabung plötzlich eine Lernbehinderung resultiert", sagt die in das Projekt eingebundene Psychotherapeutin Gabriele Wevers-Donauer. Ihre Aufgabe wird es sein, mit gezielten Testreihen möglichst in der Akutphase der Behandlung herauszufinden, wo die Defizite liegen.

Hirnareale sollen stimuliert werden

Gezielte Sportübungen und Bewegungsmuster sollen dann die entsprechenden Hirnareale stimulieren. "Früher glaubte man, dass Gehirnzellen nicht neu wachsen können. Heute sind wir sicher, dass sich Teile der zerstörten Gehirnzellen regenerieren lassen. Sport spielt dabei eine ganz wichtige Rolle", sagt Graf.

Ein entsprechendes Programm, mit dem sich einerseits die körperliche Belastbarkeit der Patienten ermitteln und andererseits im Aufbauschritt ein gezieltes Training durchführen lässt, wird zurzeit von Axel Seuser, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Kaiser-Karl-Klinik in Bonn, für die saarländischen Kinderonkologen ausgearbeitet.

Graf sieht das Homburger Pilotprojekt als innovative und wichtige Ergänzung zu einer Deutschland-weiten Studie, an der 22 Zentren beteiligt sind. Dabei werden die geistigen Schwächen und motorischen Defizite hirntumorkranker Kinder ermittelt und mit speziellen Methoden gemessen. Das Pilotprojekt "Rehabilitative Sport- und Bewegungstherapie bei Kindern mit Hirntumorerkrankungen" soll zusätzlich untersuchen, wie diesen Kindern in der Nachsorge geholfen und Spätfolgen vorgebeugt werden kann.

Dabei sollen alle Kinder ab dem Kindergartenalter an dem sportiven Nachsorgeprogramm teilnehmen. Das setzt natürlich die Mitarbeit betroffener Eltern voraus. Ina Ruffing, stellvertretende Vorsitzende der Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland, meint, dass es auf Seiten der Eltern nicht an der nötigen Motivation fehlen wird. Die Psychotherapeutin Wevers-Donauer: "Dass Eltern aktiv in das Therapiekonzept miteingebunden sind und ihnen damit ein Stück Hilf- und Tatenlosigkeit genommen wird, dürfte sich positiv auswirken."

Projektleiter Graf ist bereits jetzt überzeugt davon, dass aus dem entstehenden Datenpool des Pilotprojektes eine allgemein brauchbare Multizenter-Studie hervorgehen wird.