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Sport auf "heißem" Boden

Von Franz Nickel, Berlin

Politik

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Jedermann im Wohngebiet Siegfriedstraße im Ostberliner Bezirk Lichtenberg kennt den Sportplatz der Berliner Verkehrsbetriebe (BVB). Viele kommen als Zaungäste zu den Kickern, manche werden bei

Volkssportfesten ein bisschen aktiv · seit über 50 Jahren.

Bis vergangenen Juli. Da wurden bei Ausbesserungsarbeiten am Schotterbelag Granaten und verrostete Waffen gefunden. Die Sanierungsarbeiten wurden unterbrochen und eine Firma mit der weiteren Suche

nach den Relikten des Krieges beauftragt: 4,5 Tonnen Gewehre, Munition, Panzerfäuste und Granaten kamen ans Tageslicht und wurden entsorgt.

Das letzte Platzviertel wurde jetzt geräumt und der Sportbetrieb wieder aufgenommen. Es wird vermutet, dass der Sportplatz bei Kriegsende als Lagerstelle für Waffen und Munition diente, die

dann einfach untergebuddelt wurden.

Für Berliner Verhältnisse ist ein altlastenverseuchter Sportplatz allerdings keine Sensation. Im Stadtzentrum, wo Regierungsviertel und Potsdamer Platz entstehen, suchen 150 Arbeiter die Baustellen

ab und fanden schon Berge von Munition. Im Schnitt werden hier pro Jahr 100 Tonnen geborgen, die auf dem Sprengplatz Grünewald ihre Endstation finden. 440.000 Sprengbomben wurden im Krieg auf Berlin

geworfen, rund 22.000 waren nach Expertenschätzungen Blindgänger.

Mit Luftbildern der Alliierten und dann mit Sonden wird nach dem "Teufelszeug" gesucht. Experten rechnen damit, dass noch 15 bis 20 Jahre gebraucht werden, um dieses Problem aus der Welt zu

schaffen.

Im benachbarten Brandenburg sieht es diesbezüglich nicht besser aus. An die hundertmal mussten in Oranienburg zehntausende Menschen evakuiert werden, weil in dem ehemaligen Rüstungszentrum

gefährliche "Wohnblock-Killer" aufgespürt wurden. Neben Oranienburg gibt es in Brandenburg 270 Standorte, auf denen sich vor 1945 Rüstungsbetriebe befanden. Außerdem gibt es im Lande 24 ehemalige

Truppenübungsplätze mit 55.000 Hektar Fläche, die schon seit Kaisers Zeiten, während der Nazizeit bis zur Nutzung durch Russische Truppen, gefährliche Fracht im Boden verbargen.

Nur ein Beispiel: Als auf dem früheren Übungsplatz Döberitzer Heide nahe Potsdam ein vier Kilometer langer Wanderweg zur Nutzung geräumt wurde, fand man 83 Granaten, 21 Minen und 36 kleinere

scharfe Raketen.

1999 und 2000 sind jeweils elf Millionen Mark zur Sanierung stark belasteter Flächen vorgesehen. Allein die Beseitigung von zehn russischen Großtankanlagen kostete etwa 25 Millionen Mark. Immerhin

wurden 185 belastete Flächen saniert, aber über 900 gelten weiter als stark belastet. Ein Altlastenhandbuch des Brandenburgischen Umweltministeriums soll bei der Erfassung, Bewertung und Sanierung

helfen. Man ist sich aber darüber im Klaren, dass sich dies noch über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird.