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Ein Land braucht seine Sport-Helden. | Österreich liebt Fußball und Ski. | Wien. Was den Sport auszeichnet, ist jener Charme - vielfach als Sportappeal bezeichnet - der in der sichtbaren, unbändigen Freude an der Bewegung liegt und sowohl bei Sportlern als auch bei Sportzuschauern spontane Sympathie auslöst. Im Sport spiegeln sich die Inhalte des Kulturellen in verständlicher Form wider. Es werden kulturelle Werte wie Fairness, Erfolg oder Chancengleichheit, an die Menschen glauben, real vorgelebt. Beispielsweise verkörpert in Österreich der Typus des Skirennläufers all jene Eigenschaften, die hierzulande besondere Geltung erfahren.
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Diese Sportler stammen in der Regel aus einfachen Verhältnissen, sind trainingsfleißig, geben nie auf, vollbringen große Taten, sind bescheiden und vor allem erfolgreich. Durch die mediale Darstellung ihrer Karrieren wird eine Vielzahl sozialer Maximen präsentiert. So wird in den Erfolgslegenden deutlich, dass sozialer Aufstieg für jeden möglich ist, wenn er nur will und sich entsprechend anstrengt. Dadurch erfolgt eine direkte Bestätigung gesellschaftlicher Werte und Bedeutungen. Es wird demonstriert, dass deren Anwendung im Sport in der Regel zum Erfolg führt.
Sport: Ideal oder Utopie der Gesellschaft?
Die Gültigkeit der gesellschaftlichen Werte und Normen wird auch jenen vor Augen geführt, die in der Alltagswirklichkeit und auf ihrem eigenen Lebensweg oft entgegengesetzte Erfahrungen machen mussten. Im Sport wird der Erfolg nur durch die regelgeleitete Leistung erzielt. Der Sport erscheint als Ideal bzw. Utopie der Gesellschaft. So erweist sich Österreich im Spiegel seiner wechselvollen Geschichte als erfolgreiche Sportnation, wobei gerade der Rückblick Athleten als Sporthelden erscheinen lässt, die im Auf und Ab des gesellschaftlichen Wandels als Rollenmodelle den Zeitgeist verkörpern.
Sport ist Teil des kollektiven Gedächtnisses in Österreich und ein Identitätsglied des modernen homo austriacus. So versteht sich Österreich seit mehreren Jahrzehnten als Skifahrernation. Dieses Selbstverständnis besteht nicht zu Unrecht, denn ein Drittel aller Medaillen, die Österreich je bei Olympischen Spielen errungen hat, hat das Land seinen alpinen Skisportlern zu verdanken.
Nach der Zahl der großen internationalen Erfolge in dieser Sportart liegt Österreich bei weitem an der Spitze: So wurden jeweils knapp ein Viertel aller bisher möglichen Weltmeistertitel und aller bisherigen Weltcup-Rennen von heimischen Sportlern gewonnen. Wen wundert es da noch, dass der Alpine Skilauf für die Österreicher ein patriotisches Medium darstellt. Und auch die meisten Sporthelden der letzten Jahre stammen aus dem Lager des Alpinen Skilaufs.
Sailerismus oder der Mythos des Toni Sailer
Zum Beispiel steht der Name Toni Sailer für eine atemberaubende Erfolgsgeschichte, für einen Mythos. Wenn er fuhr, hingen die Menschen zu Tausenden an den Radios, um die Live-Übertragungen zu verfolgen. Photos und zeitgenössische Zeitungsartikel dokumentieren die nationale Euphorie, die Sailers Olympiasiege 1956 in Österreich auslösten. Seine Popularität nahm ungeahnte Ausmaße an. Eine Fachzeitschrift prägte für diese Begeisterung den Ausdruck Sailerismus. Ein weiblicher Fan schrieb ihm: "Und bevor Sie zum Abfahrtslauf angetreten sind, sind meine Mutti und ich in die Kirche gegangen und haben für Sie gebetet. Und wie wir gehört haben, dass Sie wiederum gesiegt haben, haben wir beide geweint". Sailer gab den Menschen Hoffnung und Selbstbewusstsein. Er symbolisierte den Glauben an die junge Zweite Republik, die erst kurz vorher den Staatsvertrag erhalten hatte. Er war gewissermaßen Heimatmacher.
Bei Karl Schranz waren es die fragwürdigen Umstände seiner Disqualifikation bei den Olympischen Spielen, die die Menschen in Österreich in geradezu unglaublichem Maße emotional mobilisierten. Schranz war schon bei den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble nach Behinderung und trotz Bestzeit in der Laufwiederholung disqualifiziert worden.
Bei den Spielen in Sapporo 1972 durfte er schließlich wegen angeblichen Verstoßes gegen die Amateurregel nicht starten, worauf in Österreich eine medial entfachte Massenhysterie ausbrach. Bei seiner Rückkehr nach Österreich wurde Schranz wie ein Sieger empfangen und am Heldenplatz mit Begeisterungsstürmen überhäuft.
Niemand ist so populär wie unsere Skihelden
Ein weiterer Skiheld der Österreicher ist Franz Klammer, ein Bauernbub aus Mooswald (Kärnten), der hinauswuchs über die Weltelite, dabei aber niemals seinen heimischen Dialekt verlor und so zum Liebling der Nation wurde, die ihn zum ökonomischen Überleben als Fremdenverkehrsland brauchte. Einer im Jahre 2000 präsentierten repräsentativen Umfrage zufolge wird Klammer von 62 Prozent der Österreicher als "sehr sympathisch" und von weiteren 30 Prozent als "sympathisch" bezeichnet. Er landete damit an erster Stelle der Reihung prominenter Österreicher nach der Sympathie in der Bevölkerung.
Eine österreichische Nationalheldin ist Annemarie Moser-Pröll, die Skisportlerin des Jahrhunderts. Moser-Pröll wuchs in Kleinarl in einfachen Verhältnissen auf. Bei einer repräsentativen Umfrage in Österreich 1979 gaben 52 Prozent der Befragten auf die Aufforderung, drei der bedeutendsten Österreicher zu nennen, die Skiheldin an. Sie erreichte damit den zweiten Rang hinter Bundeskanzler Bruno Kreisky.
Der jüngste Held des Skisports ist der gelernte Maurer Hermann Maier, der von Fans und Presse in Anlehnung an den Terminator (Schwarzenegger) auch Herminator genannt wird und bis zu seinem Motorradunfall im Schnitt jedes dritte Rennen gewann. Sein Name wurde bereits in die Straßenverzeichnisse aufgenommen: Hermann-Maier-Straße in Rechnitz und in Flachau - außergewöhnlich, weil Straßenbenennungen nach Personen in der Regel posthum erfolgen. #