Zum Hauptinhalt springen

Sprache als Handicap

Von Afnan Aljaderi

Politik
Sprachliche Barriere erschwert die Diagnosestellung bei Migranten.
© © Peter Atkins - Fotolia

Migranten sind häufig fehlversorgt. | Projekt erarbeitet Richtlinien für Ärzte.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Dass sich Menschen aus anderen Kulturkreisen in unserem Gesundheitssystem nicht so gut auskennen und es daher nicht optimal nützen, komme vor, berichtet Wolfgang Spiegel, Allgemeinarzt in Wien-Ottakring. Immer wieder führe das dazu, „dass Menschen mit Migrationshintergrund zum Teil fehlversorgt oder unterversorgt sind”.

Spiegel ist Leiter des Projekts „Restore”, das von der Europäischen Kommission gefördert wird. „Restore” beobachtet seit April über vier Jahre hinweg die medizinische Betreuung von Menschen mit sprachlichen und kulturellen Barrieren. Neben der Meduni Wien beteiligen sich Unis aus Irland, England, Schottland, den Niederlanden und Griechenland.

In seiner Praxis hat Spiegel täglich mit Menschen verschiedener Kulturen zu tun. Wenn Patienten die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, könne im Zuge des Erstgespräches vieles nicht geklärt werden. Das wiederum verursache Fehlbehandlungen. Wem es schwer falle, seine Beschwerden mitzuteilen, müsse oft vermeidbare Untersuchungen über sich ergehen lassen, um zu klären, was eigentlich fehlt. Die Patienten würden „durch die diagnostische Mühle der modernen Medizin gedreht”, so Spiegel.

Auch wenn Familienmitglieder dolmetschen, kann es zu Missverständnissen kommen. So wurde einmal eine volljährige Patientin gegen ihren Willen ins Spital aufgenommen, weil ein Verwandter ihren Wunsch falsch übersetzt hat.

Besonders die Vermittlung psychischer Probleme falle oft schwer. „Dass eine Person antriebsarm ist, sich nicht aufraffen kann, ihren Aktivitäten nachzugehen, oder in einer Zwangsehe leidet”, sei schwieriger mitzuteilen als körperliche Beschwerden.

Die Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AKH, wo die „Restore”-Forscher untergebracht sind, hat eine lange Tradition im Bereich der transkulturellen Medizin. Es gibt eine eigene Ambulanz für „Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte psychische Störungen”.

Im Rahmen des Projekts werden auch Möglichkeiten des Dolmetschens geprüft - darunter ein telefonischer Dienst. Über diese Hotline können Ärzte Dolmetscher anrufen, die den Patienten am Telefon wichtige medizinische Punkte erklären und Fragen stellen.

Dolmetscher notwendig

Derzeit erlaubt das österreichische System nur beschränkt, Dolmetscher einzusetzen. Anders ist die Lage in Ländern mit Gemeinschaftspraxen - etwa England. Dort können die Ärzte für die benötigten Sprachen einen Dolmetscher gemeinsam einstellen. In Wien müsste ein Arzt allein dafür aufkommen.

In der Arzt-Patient-Beziehung spielen auch kulturelle Unterschiede eine Rolle. „In unserem Kulturbereich ist absolut klar, dass Datenschutz auch für Angehörige gilt”, erläutert Spiegel. In Japan sei es hingegen üblich, „dass die Ärzte mit den Familienangehörigen über den Patienten” sprechen. Kulturelles Feingefühl sei auch erforderlich, wenn „an der Kleidung und der Präsentation” einer Frau ihre Herkunftsregion erkennbar sei. Dann sei zu entscheiden: „Möchte ich sie mit meiner Kultur konfrontieren und biete ich ihr die Hand zur Begrüßung an oder tue ich das nicht?”

„Restore” wird etwa Richtlinien und Standards in den Partnerländern vergleichen. Bisher kämen Empfehlungen zur Betreuung von Migranten meist von Nichtmedizinern. Sie berücksichtigen „oft nicht die wahren Notwendigkeiten dieser Menschen bezüglich der ärztlichen Betreuung” und auch nicht die „Rahmenbedingungen eines medizinischen Berufsfeldes”. Bei „Restore” arbeiten Ärzte und Migranten gemeinsam, um Lösungsansätze zu finden.