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Sprache als kulturelle Prägung

Von Elisabeth Minkow

Politik
Die angehenden Kommunikatoren müssen von vornherein sehr gute Kenntnisse in drei Sprachen haben.
© Stanislav Jenis

Das Studium der transkulturellen Kommunikation ist noch wenig bekannt.


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Wien. "Du studierst Trans- ... WAS?" Eine Frage, die Studierende der Transkulturellen Kommunikation praktisch immer zu hören bekommen. "Nein, das hat nichts mit Sexualität zu tun", scherzt Arleen Duit, Studierendenvertreterin am Zentrum für Translationswissenschaft Wien, kurz ZTW.

Um schnell und unmissverständlich zu erklären, was sie studieren, wählen die Studierenden die einfache Variante: Übersetzen und Dolmetschen. Erstaunlich, dass bei rund 600 Anfängern jedes Wintersemester der allgemeine Bekanntheitsgrad des Studiums trotzdem gering zu sein scheint, auch unter Studierenden anderer Fächer. Dabei beinhaltet das Studium der Transkulturellen Kommunikation viel mehr als reines Dolmetschen oder Übersetzen.

Transkulturalität statt Multikulturalität

Seit Mitte der 90er Jahre löst der Begriff Transkulturalität jene wie Multikulturalität und Interkulturalität in Fachkreisen allmählich ab, obwohl jene nach wie vor in der Öffentlichkeit gebräuchlich sind. Transkulturalität bietet jedoch bessere Möglichkeiten, die komplexen Vorgänge in der Kommunikation zu beschreiben. Daniela Schlager, ebenfalls Studierendenvertreterin am ZTW, erklärt weshalb: "Bei der Multikulturalität ist Kultur etwas Fixes, wie feste, abgeschlossene Inseln, die nebeneinander existieren, sich aber nicht berühren. Bei der Transkulturalität ist es ein Geflecht von verschiedenen Elementen, die ineinandergreifen."

Dies beschränkt sich aber nicht, wie man meinen könnte, auf Fremdsprachen, sondern umfasst jegliche kulturellen Komponenten. "Der sprachliche Ausdruck ist eine kulturelle Prägung. Daher wird die Betonung auf Kulturspezifik und nicht mehr auf Sprachspezifik gelegt", erklärt Professorin Michèle Cooke, die eine starke Befürworterin der Transkulturellen Kommunikation ist.

Noch bis vor einigen Jahren befand sie sich damit auf völlig neuem Terrain, viele waren skeptisch: "Ich habe angefangen, Transkulturelle Kommunikation zu unterrichten, bevor es ein Studium war. Das war damals auf freiwilliger Basis. Es kamen eher wenige Studierende, aber sie haben es sehr genossen."

Mehrsprachigkeit ist selbstverständlich

Die angehenden Kommunikatoren müssen von vornherein sehr gute Kenntnisse in drei Sprachen haben. Es ist daher keine Überraschung, dass etwa 50 Prozent der Studierenden nicht Deutsch als Muttersprache haben, wobei auch der Begriff Muttersprache am ZTW in Frage gestellt wird: "Das Konzept ist veraltet. Bei uns heißt das A-Sprache", stellt Daniela Schlager richtig.

Die A-Sprache ist jene, die am besten beherrscht wird - sei es, weil die Person damit aufgewachsen ist oder weil es die Bildungssprache ist. Dass das der Fall bei vielen Migranten ist, die als Kind nach Österreich kamen oder auch hier geboren sind, kann auch an den Sprachenkombinationen vieler Studierender am Zentrum nachvollzogen werden. Sprechen sie in den Pausen in ihrer "Muttersprache" untereinander, sitzen sie dennoch in der A-Sprache Deutsch im Unterricht.

Viele von ihnen finden sich besonders in BKS und Russisch, während Englisch und Französisch am häufigsten belegt werden - jedoch mit einem relativ geringen Anteil an Muttersprachlern. Stark nachgefragt ist auch Türkisch, was jedoch nicht am Zentrum für Translationswissenschaft angeboten wird. Das liege an Fachkräftemangel und Finanzierungsproblemen.

Erst seit 2007 existiert der Studiengang Transkulturelle Kommunikation und ging tatsächlich aus dem Bakkalaureatsstudium "Übersetzer und Dolmetscher" hervor. Die Umbenennung des Studiengangs ging mit einigen Veränderungen im Studienplan einher, wurde aber insgesamt von anderen Überlegungen getragen.

Es ginge um Verständnis dafür, wie Menschen in anderen Kulturen leben, dass alle unterschiedlich denken und daher unterschiedlich kommunizieren. Darüber hinaus sollte damit signalisiert werden, wie das erworbene Wissen sinnvoll in der Gesellschaft eingesetzt werden kann.

Professorin Michèle Cooke erläutert: "Wir hier vertreten die Meinung, dass die Transkulturelle Kommunikation auch die Translation impliziert und umgekehrt, das heißt das Verstehen, Erklären und Annehmen von anderen Inhalten und anderen Sichtweisen. Verstehen und Verständigung brauchen alle. Und gerade dies macht unser Studium aus", so Cooke.

Nichtsdestotrotz wird die Transkulturelle Kommunikation, auch als Unterrichtsfach, von Lehrenden und Studierenden am Zentrum nicht immer positiv gesehen, wie Arleen Duit bestätigt: "Es gibt noch viele Dozenten, die sich stark an das alte Konzept des Dolmetschens und Übersetzens halten, vielmehr als an das der Transkulturellen Kommunikation." Auch die Meinungen der Studenten gehen auseinander. Einige sehen keinen Nutzen, sich mit nicht-sprachbezogenen Inhalten zu beschäftigen.

"Es gibt viele Leute, die das machen wollen"

Auf die Frage, ob sich der Studiengang in dieser Form bewähren würde, sind sich Arleen Duit und Daniela Schlager einig: "Ja. Es gibt wahnsinnig viele Leute, die das machen wollen. Und der Bedarf an verschiedenen Sprachen und an der Kompetenz, mit verschiedenen Kulturen umzugehen, wird ja nicht kleiner, sondern immer größer."

Für Michèle Cooke ist es vor allem eine Herzensangelegenheit: "Ich arbeite und schreibe dafür, dass möglichst viele akzeptieren, dass alle Menschen sind und nicht grundsätzlich anders. Dass wir alle leben und jeder die Form von Leben lebt, die er leben kann - das ist mein Anliegen."