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Sprache als Schlüssel zur Integration - und als Mittel zur Ausgrenzung

Von Katharina Schmidt

Analysen

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"Deutsch ist der Schlüssel zur Integration." Dieser Satz wird nicht nur im Integrationsstaatssekretariat gebetsmühlenartig wiederholt. Das Mantra hat sicherlich seine Berechtigung; allerdings lässt sich auch über die Art und Weise, wie darüber debattiert wird, trefflich streiten.

Nur ist das Problem ein anderes: Die Politik hat noch nicht wirklich begriffen, dass Sprache nicht dazu da ist auszugrenzen. Derzeit werden Sprachkenntnisse hauptsächlich dazu genutzt, Defizite festzumachen. Statistisch ist das durchaus praktikabel. So kann man die Probleme von Schülern mit Migrationshintergrund wunderbar an der Erstsprache festmachen: 14 Prozent der Kinder mit anderen Erstsprachen als Deutsch haben laut Statistik Austria im Schuljahr 2008/09 die Pflichtschule ohne Abschluss verlassen, bei Kindern mit deutscher Erstsprache waren es nur 4 Prozent. Oder: Kinder mit anderen Umgangssprachen als Deutsch sind überproportional häufig in Sonderschulen zu finden. Ja, es gibt also Defizite. Und ja, man kann diese Defizite - neben vielen anderen Faktoren - an der Erstsprache festmachen.

Zugleich stellt sich die Frage, ob die aktuelle ideologische Überhöhung gewisser Sprachen zielführend ist. So wird unter anderem im Schulsystem richtiggehend zwischen "guten" (Deutsch, Englisch, Französisch, in zunehmendem Maße Chinesisch und Russisch) und "bösen" Sprachen (im Wesentlichen die Herkunftssprachen der in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, also Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch) unterschieden. Das zeigt sich etwa darin, dass zwar 18 Prozent der Schüler im vergangenen Jahr eine andere Erstsprache als Deutsch hatten, aber nur 0,3 Prozent der Lehrkräfte Muttersprachen unterrichteten. Türkisch als Maturafach scheint ebenso noch in weiter Ferne zu sein wie die Aufstockung bilingualer Unterrichtsangebote.

Last but not least ist auch die Sprachstandsfeststellung so, wie sie derzeit durchgeführt wird, defizitorientiert. 2008 hatten 90 Prozent der Kinder mit Erstsprache Deutsch ein "altersgemäßes Sprachniveau", während 58 Prozent der Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch demnach Fördermaßnahmen benötigten, um ein altersadäquates Sprachniveau zu erreichen. Stellt sich die Frage: "Altersadäquat" in welcher Sprache? In Türkisch oder Bosnisch/Kroatisch/Serbisch hatten sie vielleicht ein altersadäquates Sprachniveau - das war aber nicht von Interesse. Mit dem neuen Verfahren, das am Zentrum für Sprachstandsdiagnostik von Inci Dirim erarbeitet wird, ändert sich das vielleicht.

Natürlich ist "Deutsch ein Schlüssel zur Integration". Aber - ökonomisch und gesellschaftlich - genauso wichtig wie das Erlernen der deutschen Sprache sollte es sein, vorhandene Potenziale nicht verkümmern zu lassen.