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Sprachliches Selbstbewusstsein im Süden

Von Friedrich E. Starp

Gastkommentare
Friedrich E. Starp ist Diplom-Informatiker, Laborplaner und war Lehrbeauftragter für interaktive Medien. Er ist Ältester einer evangelischen Freikirche.
© privat

Das österreichische Deutsch verblasst keineswegs.


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Der Gastkommentar "Das Verblassen des Österreichischen" von Alexander Putzendopler hat bei mir - einem "gelernten" Österreicher - einiges Erstaunen verursacht. Als Deutscher, der vor 37 Jahren nach Österreich zog, wurde ich permanent gefragt, was ich von den Österreichern hielte. Ich habe mir mit der Antwort keine Freunde gemacht, dass wir in Deutschland uns nicht mit solchen Fragen beschäftigen, auch nicht darüber nachdenken. Bei manchen Gesprächspartnern endete das mit dem Vorwurf, wir Deutschen wären halt überheblich. Mittlerweile meide ich solche Gespräche.

Und dann die Sprache! Ich war täglich mit Mitbürgern konfrontiert, die mir - teils ohne ersichtlichen Grund - erklären wollten, die österreichische Sprache wäre "richtiger" als die deutsche. Alle Versuche, meine Gesprächspartner darauf hinzuweisen, dass es in der deutschen Sprache eine norddeutsche und eine süddeutsche Variante gibt und das süddeutsche Deutsch sich in die österreichische und die schweizerische Varietät aufteilt, waren meist fruchtlos. Ein Beispiel von vielen: Im norddeutschen Sprachraum hat man an der Straße gestanden, während man im süddeutschen an der Straße gestanden ist.

Ich bin sehr aktiv in einer christlichen Gemeinde in Wien. Dort habe ich von meinen lieben Geschwistern gleich mal drei verschiedene Bücher geschenkt bekommen: "Österreichisch für Anfänger", "Österreichisch für Fortgeschrittene" und zuletzt "Österreichisches Deutsch oder Deutsch in Österreich?". Fast schon peinlich war eine Situation, als unsere Gemeinde einen neuen Pastor bekam, der (auch wieder) aus Deutschland kam. Alle Gruppen, von der Kindergruppe über die Jungschar, von der Frauengruppe bis hin zur Ü65-Gruppe, haben ausnahmslos entweder Sketche aufgeführt und/oder Geschenke überreicht, alle mit dem Thema "Österreichisch für Deutsche". Ein extremes Geschenk war das Buch "Da Jesus und seine Hawara", mit dem er zunächst nichts anzufangen wusste und das er eher als blasphemisch empfand.

Völlig andere Erfahrungen als Alexander Putzendopler habe ich auch in Bezug auf Kinder und Jugendliche, die verschiedene Schulen besuchen, gemacht. Ich habe an weit mehr als hundert Schulen, Pädagogischen Hochschlen, Instituten und Fakultäten in Österreich das Lehrpersonal und die Schüler in die didaktischen und pädagogische Zusammenhänge und Anwendungen interaktiver Touch-Boards eingeführt. Nach meiner langjährigen Erfahrung haben die Kinder und Jugendlichen durchwegs ihre vom österreichischen Dialekt geprägte Sprache gesprochen; nur selten sind mir "bundesdeutsche Töne" begegnet - und wenn, dann meist durch einen deutschen Familienhintergrund bedingt. Bei meinen eigenen Enkelkindern habe ich jedoch darauf achten müssen, dass sie - aus der Volksschule kommend - uns freudestrahlend sagten, dass sie gelernt hätten, wie man die Zähne putzt, nämlich "von Rot nach Wähs und von Wähs nach Rot". Wir haben ihnen dann beigebracht, sich besser nach dem Schriftdeutsch zu richten - dort steht nicht "Wähs" sondern "Weiß".

Natürlich bringen alle möglichen deutschsprachigen TV-Sender und YouTube neue Töne ins Land, aber dass damit das Österreichische verblasse, dürfte eine etwas verfrühte Ansicht sein.