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Sprengmeister der engen Horizonte

Von Christina Böck

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"Meiner Meinung nach sollten sich behinderte Menschen auf die Dinge konzentrieren, die ihnen möglich sind, statt solchen hinterherzutrauern, die ihnen nicht möglich sind." Diese Worte stammen von Stephen Hawking. Es hat sich wohl kaum einer diese Worte mehr zu Herzen genommen als Hawking. Nun muss man natürlich auch sagen, dass Hawking in dem, was er trotz Behinderung (und mit technischer Hilfe) noch konnte, auch einer großen Mehrheit der nicht-behinderten Weltbevölkerung einiges voraushatte. Ohne diesen genialischen Hintergrund wäre Hawking wiederum niemals zu dem Symbol geworden, als das er - neben seinen wissenschaftlichen Meriten - auch erinnert werden wird.

Selten hat jemand seine eigene Gebrechlichkeit so schonungslos öffentlich gemacht. Der Begriff "schonungslos" mag zynisch klingen - und doch macht er am deutlichsten, was der Anblick Hawkings in unserer Zeit des perfekten, geschönten Bildes, in einer Zeit der Jugend- und Gesundheitspflicht nun einmal im Betrachter auslöste: einen Schock. Er erinnerte, ohne damit, wie es etwa Papst Johannes Paul II. in seiner alters- und krankheitsbedingten "Passionszeit" machte, eine Agenda zu verfolgen, daran, dass das Leben nicht wie in Film und Fernsehen aussieht. Film und Fernsehen zeigten im Austausch Hawkings Unperfektheit und machten sie, etwa als "The Simpsons"-Gaststar, gleichzeitig normal und unsterblich. Auch hier schaffte es Hawking, mit einer gewinnenden Nonchalance, enge Horizonte aufzusprengen.