Kindergärtner sollen jedes Kind mit seiner Sprache wertschätzen.
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Wien. Kinder kann man zum Lernen nicht zwingen. Vor allem, wenn es um das Erlernen einer Sprache geht. Da kann die Kindergärtnerin noch so lange mit dem Vokabelheft neben dem vierjährigen Kemal sitzen und ihm die Worte "Tische" und "Teller" aufsagen: Die deutsche Sprache wird er so nicht verinnerlichen.
Solche und andere Erkenntnisse hat ein Team aus Sprach- und Erziehungswissenschaftern, Psychologen und Soziologen aus zwei Jahren Forschung gewonnen. Im Jahr 2010 wurde das rot-grüne Projekt zum Thema "Spracherwerb im Kindergarten" gestartet. Die Experten erforschten in mehreren Kindergärten im 15. Bezirk Formen, Wege und Bedingungen des Erlernens von Erst- und Zweitsprachen von Kindern in Wiener Kindergärten. Die Ergebnisse werden im aktuellen Perspektivenheft der Stadt Wien vorgestellt und sollen Pädagogen in puncto Sprachförderung als Leitfaden dienen.
"Jede Sprache ist gleich viel wert", sagt Daniela Cochlar, Leiterin der MA 10 (Wiener Kindergärten) und Mitarbeiterin des Projekts. Wichtig sei es vor allem, Kindern im Kindergarten zu vermitteln, dass sie in ihrer Erstsprache wertgeschätzt werden. Sie sollten nicht ausgebessert werden, wenn sie Dinge nicht korrekt formulieren. Besser wäre es, das Gesagte noch einmal richtig zu wiederholen. Auch sollte ihren Eltern nicht nahegelegt werden, zu Hause deutsch zu sprechen.
Ebenso sollten mehrsprachige Mitarbeiter ihre Kenntnisse "selbstbewusst" einsetzen und nicht wie bisher "verschämt" darüber sein. Sprechverbote sollten vermieden werden.
Erfolglose Technokratie
Erziehungswissenschafter Wilifried Datler betont, dass in diesem Projekt insbesondere die emotionale Komponente, "ein Stiefkind der Forschung", berücksichtigt werden müsse. Modelle, die technokratisch angewendet werden, haben im Kindergarten keinen Erfolg. Außerdem gelte es, die Eltern und deren Bedürfnisse in dem Prozess der Sprachförderung einzubeziehen; hier herrsche Nachholbedarf. So wollen etwa viele türkischstämmige Eltern, dass ihre Kinder nicht ihre Erstsprache sprechen, sondern lieber nur Deutsch.
Ein konkretes Programm, wie frühkindliche Sprachförderung auszusehen hat, lasse sich auf dem Reißbrett nicht entwickeln, meint Datler, "es ist nicht die Technik, sondern die Entwicklung eines Sensoriums". Und jenes Sensorium lasse sich für die angehenden Pädagogen auch nicht in Großvorlesungen schulen, sondern müsse in kleinen Gruppen erarbeitet werden. Wichtig sei vor allem, dass Sprachförderung in der Aus- und Weiterbildung der Pädagogen berücksichtigt wird.
Das Forschungsprojekt, das insgesamt 322.000 Euro kostete, dient als Impulsgeber, in konkrete politische Maßnahmen lassen sich die Ergebnisse noch nicht übersetzen, hieß es.