Brüssel prüft die Zulassung des Impfstoffes. Der gilt als Exportschlager - in Russland selbst ist man aber noch skeptisch.
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Lange wurde darüber diskutiert, nun ist es so weit: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) startet ein Prüfverfahren für den Corona-Impfstoff Sputnik V. Die Entscheidung, die Zulassung des vieldiskutierten russischen Vakzins zu prüfen, basiere auf Ergebnissen von Laborversuchen und klinischen Studien bei Erwachsenen, teilte die EMA mit. Demnach rege Sputnik V die Bildung von Antikörpern gegen das Virus an und könnte beim Schutz vor Covid-19 helfen.
Auch wenn noch nicht absehbar ist, ob und wann grünes Licht für den Impfstoff in der EU gegeben werden könnte, soll das Prüfverfahren jedenfalls schnell ablaufen: Die Experten der EMA werden die Wirksamkeit des Impfstoffs nach dem "Rolling-Review-Verfahren" bewerten. Dabei werden Testergebnisse bereits geprüft, auch wenn noch nicht alle Resultate vorliegen und auch kein Zulassungsantrag gestellt wurde.
Denn die Zeit drängt: Die Pandemie hat Europa fest im Griff, die dritte Welle rollt, vor allem die nicht so gut ausgebauten Gesundheitssysteme mancher Staaten in Mittel- und Osteuropa sind aufgrund hoher Infektionszahlen und voller Krankenhäuser an der Belastungsgrenze. Kein Wunder, dass in manchen Ländern die Rufe nach mehr Impfstoff immer lauter werden, nach dem Beschreiten eines Weges, wie ihn etwa Serbien vorgezeigt hat. Dort hat die Regierung Impfstoffe sowohl im Westen als auch in China oder eben dem historisch engen Verbündeten Russland eingekauft. Auch Ungarns Premierminister Viktor Orban setzte medienwirksam in bilateralen Verträgen auf den russischen Impfstoff - sehr zum Ärger der EU-Granden in Brüssel. Mittlerweile bittet Tschechiens Präsident Milos Zeman China und Russland um die Lieferung von Impfstoffen. Und in der Slowakei ist - als erstem EU-Land nach Ungarn - eine erste Lieferung des russischen Vakzins eingetroffen.
Imageerfolg für Putin
Für Russland ist Sputnik V also ein echter Exportschlager: 38 Länder haben den Impfstoff bis Ende Februar bereits registriert - das macht Sputnik zu einem der gefragtesten Impfstoffe der Welt. Besonders ärmere Länder interessieren sich für das Vakzin: Schließlich ist es mit knapp zwei Dollar für zwei Dosen sehr günstig und lässt sich auch im Kühlschrank lagern. Wie bei anderen Impfstoffen, so ist aber auch bei Sputnik die Produktion das große Problem. Bisher kommen die Liefermengen bei weitem nicht an die westlicher Hersteller heran.
Das ändert freilich nichts daran, dass Sputnik V nicht nur aufgrund seines klingenden Namens für Russlands Präsident Wladimir Putin ein Imageerfolg ist. Ein Erfolg, den der Staatschef, der wegen der Verhaftung seines Kritikers Alexej Nawalny gerade unter gehörigem Druck steht, auf nationaler wie internationaler Ebene auch nötig hat. Dass Nawalny noch im Sommer bei der Präsentation des Impfstoffes gelästert hatte, die Ankündigungen des Kremls könnten nur Gelächter hervorrufen, steigert dort die Genugtuung.
Aber auch im Westen hatte man im August ob der allzu raschen Zulassung nach klinischen Tests mit weniger als 100 Menschen - und wohl auch aufgrund einer jahrhundertelang eingeübten Skepsis gegenüber dem "rückständigen" Russland - die Nase gerümpft. Dabei ist das Gamaleya-Institut, das den Impfstoff entwickelt hat, auch im Westen angesehen. So wie auch die Leistungen vieler russischer Forscher in den Naturwissenschaften sich sehen lassen können. Die Naturwissenschaften wurden vor allem in der Sowjetzeit schon aus ideologischen Gründen stark gefördert.
Niedrige Impfquote
Das ändert freilich nichts daran, dass die Impfquote Russlands mit 2,7 Prozent überraschend niedrig ist - Österreich liegt immerhin bei 7,9 Prozent, der EU-Durchschnitt bei 8 Prozent. Grund dafür ist nicht nur, dass Russland, wo es derzeit kaum mehr Covid-Einschränkungen gibt, seinen Impfstoff in erster Linie auch als Exportschlager ansieht.
Sondern auch die Zurückhaltung der russischen Bevölkerung, was das Impfen anlangt. Obwohl sich in vielen Regionen mittlerweile alle Erwachsenen impfen lassen könnten, ist das Vertrauen in den eigenen Impfstoff immer noch gering. Das hängt auch mit dem geringen Zutrauen in den Staat und seine Strukturen zusammen. Es ist im Vergleich zu Westeuropa aus vielfältigen historischen Gründen - und aus jüngeren Krisenerfahrungen - nur recht schwach ausgeprägt.