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Sri Lanka: Letztes Gefecht wird zur humanitären Tragödie

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Tamilen-Armee kontrolliert nur noch kleinen Küstenstreifen. | Endphase des Konflikts fordert Tausende Menschenleben. | Neu Delhi. Es soll nur noch ein schmaler Küstenstreifen von 17 Quadratkilometer sein, in dem sich der blutige Endkampf in Asiens längstem Bürgerkrieg abspielt. Sri Lankas Armee rückte am Mittwoch weiter gegen die letzte Bastion der Tamil Tiger im Nordosten der Insel vor.


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Zwei Rebellenführer sollen sich inzwischen ergeben haben. Die Meldung nährt die Hoffnung auf ein rasches Ende des blutigen Konfliktes. Tausende Zivilisten versuchen weiterhin aus dem Kriegsgebiet zu fliehen. Das Rote Kreuz spricht unterdessen von einer "wirklichen Katastrophe". Beobachter warnen, dass noch Tausende Menschen im Krisengebiet sterben könnten, bis die Armee den gesamten Abschnitt unter ihre Kontrolle gebracht hat.

Laut Armeeangaben soll Daya Master, der Sprecher der Rebellen, seine Waffen bereits niedergelegt haben. Auch ein weiterer Führer soll sich ergeben haben. Diesem Beispiel könnte nun schnell weitere Rebellen folgen. Tamil Tiger-Chef Veluppillai Prabakhana hat allerdings noch kein Zeichen zur Aufgabe gegeben.

Seit Montag soll laut Armee etwa 80.000 Menschen die Flucht aus dem umkämpften Gebiet gelungen sein. Die "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) haben die Zivilisten im Krisengebiet in den letzten Monaten systematisch als menschliche Schutzschilde benutzt, um das Vorrücken der Armeetruppen zu erschweren. Hingegen hat die Regierungsseite die Zivilisten über Monate hinweg praktisch ausgehungert, bis sie in ihrer Verzweiflung der Lebensgefahr trotzten und den Kessel der LTTE durchbrachen, obwohl sich immer wieder Selbstmord attentäter in Gruppen von Fliehenden in die Luft sprengten.

Die bittere Wahrheit ist, dass sowohl die Regierung als auch die Tamil Tiger bislang wenig Interesse daran hatten, die Zivilbevölkerung zu schützen. Für die Rebellen waren die Zivilisten nützlich als Deckung und Rückzugsmöglichkeit. Die Regierung muss befürchten, dass sich unter den Flüchtlingen auch einige LTTE-Kämpfer versteckt halten und hat daher wenig Einsatz gezeigt, Menschenleben zu retten. Die Tragödie, die sich in der Kriegszone seit Jänner abspielte, hat auch international nur selten für Aufsehen gesorgt. Laut UNO sollen seit Anfang des Jahres 4500 Menschen getötet worden sein.

Das Kalkül der Regierung scheint aufgegangen zu sein: Sie hat neutrale Beobachter und Hilfswerke gar nicht erst ins Krisengebiet gelassen, um Negativschlagzeilen zu vermeiden und den Krieg nach eigenem Geschmack führen zu können. Die Medien berichteten so nur sporadisch über den blutigen Konflikt. Zahlen über die leidenden Zivilisten konnten nie bestätigt werden. Die Regierung gab stets weit geringere Zahlen an als Hilfsorganisationen. Die internationale Gemeinschaft forderte recht lustlos in regelmäßigen Abständen ein Ende des Krieges.

Götterdämmerung

In Zeiten des globalen Anti-Terrorkampfes wollten es sich die meisten Staaten nicht leisten, Druck auf die Regierung in Sri Lanka auszuüben, die gegen eine der brutalsten Rebellenorganisationen der Welt kämpft, auch wenn der Konflikt in seiner Endphase Tausenden unschuldigen Zivilisten das Leben kostet. Die LTTE, die seit 25 Jahren in Sri Lanka für einen eigenen Tamilenstaat kämpft, gilt als Erfinder der Selbstmordattentate. Zahlreiche Staaten haben die LTTE zur Terrororganisation erklärt. Ihr psychopatischer Chef Veluppillai Prabakhana schreckt auch vor Mord in den eigenen Reihen nicht zurück.

Eine schnelle Kapitulation der Rebellen und die Rettung der eingeschlossenen Zivilbevölkerung könnten helfen, eine Götterdämmerung am Strand zu verhindern. Ein Gemetzel unter Palmen wäre die Geburtsstunde eines neuen Aufstandes der Tamilen in Sri Lanka. Bislang hat die Regierung allerdings kein Signal dafür gegeben, dass sie an einer politischen Lösung des Minderheitenkonfliktes interessiert ist.