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300.000 Vertriebene dürfen nach Krieg Lager nicht verlassen. | Analyst warnt vor Verschärfung ethnischer Spannungen. | Colombo/Wien. Sri Lanka hat den Krieg gegen die tamilischen Rebellen gewonnen, doch die humanitäre Situation bleibt äußerst alarmierend. Zwei Monate nach Ende der Kampfhandlungen leben noch immer etwa 300.000 tamilische Flüchtlinge in Lagern, die sie nicht verlassen dürfen.
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Die Regierung lässt internationale Hilfsorganisationen nur sehr begrenzt in dem Gebiet operieren, und Journalisten sind unerwünscht. Die spärlichen Informationen, die aus den Camps durchsickern, lassen nichts Gutes vermuten: Laut Mitarbeitern von Hilfsorganisationen ist die sanitäre Versorgung katastrophal, immer wieder soll es zu Epidemien mit hohen Todesraten kommen.
Brutaler Bürgerkrieg
Die Lager befinden sich im Norden des Landes, wo die letzte Schlacht der Regierungstruppen gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) stattgefunden hat. 26 Jahre lang hatte der von ethnischen Spannungen angeheizte Bürgerkrieg gewütet und etwa 100.000 Menschen das Leben gekostet. Die LTTE kämpfte für einen eigenen Staat der tamilischen, hinduistischen Minderheit in dem mehrheitlich von buddhistischen Singhalesen bewohnten Land. Im Mai dieses Jahres hatte die Armee die Tamilen-Rebellen schließlich in einem Küstenstreifen eingekesselt und besiegt. Die nun in den Lagern eingepferchten Tamilen sind Flüchtlinge dieses von beiden Seiten brutal geführten, letzten Kampfes.
Mittlerweile zweifeln immer mehr Beobachter daran, dass die von Singhalesen dominierte Regierung ihr Versprechen einhält, und die Camps in den nächsten Monaten räumt. Im Moment wollen die Machthaber die Tamilen keinesfalls gehen lassen, da sie unter den Flüchtlingen LTTE-Kämpfer vermuten.
"Für diese Sorge gebe es aber eine klare Lösung", sagt Andrew Stroehlein von dem renommierten Thinktank "International Crisis Group". "Man kann eine Untersuchung durchführen, die die Flüchtlinge durchleuchtet und die auch internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz offensteht." Es brauche jedenfalls ein klares Konzept, wie die Vertriebenen möglichst schnell wieder in ihre Wohnorte zurückkehren können. "Wenn 300.000 Tamilen eingesperrt bleiben, verschärft das erneut die ethnischen Spannungen."
Wurzeln des Konflikts
Aber nicht nur die Befreiung der Flüchtlinge sei ein notwendiger Schritt für einen nachhaltigen Frieden, betont Stroehlein im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zugleich müsste die Regierung rund um den mächtigen Präsident Mahinda Rajapakse an die Wurzeln des Konflikts herangehen.
Diese reichen jedenfalls weit zurück: Wurden die Tamilen während der britischen Kolonialzeit noch bevorzugt, kam nach der Unabhängigkeit ein singhalesischer Nationalismus auf, der die Tamilen diskriminierte. Diese nahmen die Regierungspolitik als ein System wahr, "das sie von Machtpositionen fernzuhalten versuchte, und das sie nicht einmal auf lokaler Ebene über ihr Schicksal entscheiden ließ", sagt Stroehlein. Nun müssten die Tamilen wenigstens in den von ihnen bewohnten Regionen ein gewisses Selbstbestimmungsrecht erhalten.
Staatschef Rajapakse, der der singhalesisch-nationalistischen Sri Lanka Freedom Party entstammt, lehnt aber weitgehende Selbstbestimmungsrechte für die Tamilen ab. Und die Regierung hat in den stark von Tamilen bewohnten Ostprovinzen des Landes schon ein Beispiel gesetzt.
Dort endete der Krieg vor zwei Jahren. Danach wurden zwar lokale Verwaltungen eingesetzt, doch diese erhielten nicht die versprochenen Kompetenzen. Zudem nahm die Gewalt kein Ende, mit der Regierung verbündete paramilitärische Gruppen treiben unbestraft ihr Unwesen, berichtet Stroehlein. Wenn nun im tamilischen Norden dasselbe geschieht, würde das nur abermals große Verbitterung unter den Angehörigen der Minderheit hervorrufen, warnt der Analyst.