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Sri Lankas letzte Rebellen-Hochburg ist erobert - doch der Tamilen-Konflikt bleibt ungelöst

Von Agnes Tandler

Analysen

"Zu 95 Prozent vorbei" sei der Kampf gegen die Tamil Tiger, verkündete Sri Lankas Armeechef Sarath Fonseka stolz im staatlichen Fernsehen. In der Hauptstadt Colombo brach daraufhin Jubel aus. Regierungstruppen haben nun auch Mullaittivu, die letzte Hochburg der Rebellen im Nordosten der Tropeninsel, eingenommen. Militärisch gesehen ist der Bürgerkrieg damit so gut wie aus. Das Militär plant nun, den Dschungel um die letzte Rückzugsbasis der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zu durchkämmen, um Verstecke der Separatistenbewegung auszuheben. | In den letzten Monaten musste die LTTE eine ganze Kette von Niederlagen einstecken, als sie erst ihre faktische Hauptstadt Kilinochchi und dann den strategisch wichtigen Elefantenpass verloren geben mussten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann Mullaittivu fallen würde.


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Auch wenn die Siegesbehauptung der Regierung schwer nachprüfbar ist, weil es keine unabhängigen Beobachter im Kriegsgebiet gibt, so scheint der Triumph doch plausibel. Die LTTE kämpft seit 1983 im Norden und Osten des Landes für einen unabhängigen Staat für die Tamilen, die eine ethnische Minderheit in dem von Singhalesen dominierten Land im Indischen Ozean sind. Der 25-jährige Bürgerkrieg hat bislang über 70.000 Menschenleben gekostet.

Doch der Grundkonflikt zwischen den Tamilen und den Singhalesen ist weiterhin nicht gelöst. Die Tamil Tiger sind eine der brutalsten Rebellenorganisationen der Welt, die mit ihrem Kommando der "Schwarzen Tiger" als Erfinder des Selbstmordattentats gelten. In der Vergangenheit haben sie immer wieder gezeigt, dass sie sich in die Dschungelgebiete zurückziehen und von dort aus einen blutigen Guerilla-Krieg im ganzen Lande führen können. Abschreiben darf man sie trotz der militärischen Niederlage daher nicht. Hinzu kommt, dass die Regierung unter der Führung des Hardliners Mahinda Rajapakse auch nach ihrem militärischen Erfolg nicht geneigt ist, den Tamilen und auch anderen Minderheiten im Lande irgendwelche Zugeständnisse hinsichtlich Autonomierechten zu machen. Ohne eine politische Lösung ist aber kein dauerhafter Frieden auf der Urlauberinsel zu haben.

Statt die historische Chance für einen Neuanfang zu nutzen, setzt die Führung in Colombo weiter auf Spaltung und Unterdrückung. Nicht nur Tamilen und Muslime, auch Journalisten und andere Kritiker des Regimes, müssen täglich um ihr Leben fürchten.

Allein in diesem Monat gab es bereits drei Angriffe auf die Medien. Ende der vergangenen Woche wurden der Herausgeber der Wochenzeitung "Rivira" und seine Frau in der Hauptstadt Colombo auf offener Straße von Unbekannten mit Eisenstangen zusammengeschlagen. Vor zwei Wochen wurde Lasantha Wickramatunga, der Herausgeber des "Sunday Leader" - der letzten kritischen Zeitung des Landes - in Colombo erschossen. Tage zuvor verwüstete eine Gruppe bewaffneter Männer das Studio eines privaten TV-Senders, angeblich weil er zu ausführlich über die LTTE berichtet hatte.

Der 52-jährige Wickramatunga hatte bereits mehrere Attentate überlebt. Er verfasste vor seiner Ermordung einen Artikel über seinen eigenen Tod, für den er die Regierung verantwortlich machte. "Wenn ich schließlich getötet werde, wird sie dahinter stecken", erklärte er darin. Ohne eine politische Lösung bleibe der Konflikt in Sri Lanka "eine eiternde Wunde, die für alle Ewigkeit Unfrieden bringen wird."