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Russland hängt noch immer am Öl wie der Junkie an der Nadel.
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Dass er Platz machen muss, ist für Dmitri Medwedew keine neue Erfahrung. Schon 2012 musste der aus St. Petersburg stammende Jurist seinen Sessel räumen, damit Wladimir Putin nach vierjähriger Pause wieder als Präsident in den Kreml einziehen konnte. Der nun am Mittwoch überraschend angekündigte Rücktritt Medwedews als russischer Premier hat dennoch eine neue Qualität. Denn mit seiner Demission nimmt der 54-Jährige gewissermaßen auch die gesamte Schuld für Russlands derzeitige wirtschaftliche Misere auf sich.
Doch Russlands Problem heißt nicht Medwedew, und es wird sich wohl auch nicht unter dessen Nachfolger Michail Mischustin lösen lassen. Dass die Wirtschaft nur langsam wächst, die Realeinkommen der 145 Millionen Russen nicht steigen, sondern sinken und es kaum Erfolge bei der Armutsbekämpfung gibt, hat nämlich vor allem mit den strukturellen Defiziten der russischen Wirtschaft zu tun.
Denn trotz einiger Fortschritte hängt das Riesenreich nach wie vor an seinem überdimensionalen Energiesektor wie der Junkie an der Nadel. Laut der Weltbank machen die Exporte von Öl und Gas nicht nur rund 60 Prozent der gesamten russischen Ausfuhren aus, die Branche steuert auch 25 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Staates bei.
Die Folgen dieser enormen Abhängigkeit haben die Russen zuletzt im Jahr 2014 massiv zu spüren bekommen, als der Ölpreis um fast 70 Prozent einbrach und unter 50 Dollar pro Fass lag. Russland, das laut der Ratingagentur Fitch einen durchschnittlichen Ölpreis von rund 70 Dollar für einen ausgeglichenen Haushalt benötigt, stürzte in eine schwere Rezession.
Die immer wieder geforderte Diversifikation der Wirtschaft ist der Kreml aber nicht einmal halbherzig angegangen. Ausländische Unternehmen, die Kapital und Know-how ins Land bringen könnten, haben in Russland nach wie vor mit Protektionismus und Rechtsunsicherheit zu kämpfen. Russische Produkte sind - abgesehen vom Waffensektor- wiederum kaum international konkurrenzfähig, wie etwa der Suchoi Superjet-100 zeigt. Vom einstigen Hoffnungsträger, mit dem Russland im Markt für Regionaljets mitspielen wollte, wurden 2018 gerade einmal 28 Maschinen verkauft.
Was schon jetzt ein Problem ist, könnte sich in Zukunft zur Dauerkrise ausweiten. Denn sowohl die EU, die bis 2050 klimaneutral werden will, als auch China dürften in den kommenden Jahrzehnten deutlich weniger Öl aus Russland importieren. Viele junge Russen - vor allem, wenn sie gut ausgebildet sind - ziehen angesichts der tristen wirtschaftlichen Perspektiven allerdings jetzt schon die Konsequenzen: Sie verlassen in Scharen das Land.