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Ditz mahnt zu Einsparungen. | "Vermögenszuwachssteuer würde Lücken beseitigen." | "Wiener Zeitung":Sie haben kürzlich Vorschläge für eine Steuersenkung präsentiert, diese soll nach den Plänen der Regierung allerdings erst 2010 stattfinden. Wäre es nicht sinnvoller, durch eine rasche Steuersenkung die schwächelnde Konjunktur jetzt anzukurbeln?
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Johannes Ditz: Für mich ist das Wie und das Was viel wichtiger als der Zeitpunkt.
Das heißt, merkbare Konjunktur-Effekte trauen Sie einer Steuerreform nicht zu?
Ich glaube schon, dass eine Steuerreform die Konsumnachfrage etwas stabilisieren kann. Gleiches kann aber auch über den Ankündigungseffekt einer wirklich umfassenden und nachhaltigen Steuersenkung erreicht werden.
Sie plädieren dafür, den Spitzensteuersatz von 50 auf 44 Prozent zu reduzieren. Realpolitisch betrachtet ist das ein ziemlich anspruchsvolles Unterfangen.
Wir haben die Budgetsanierung der vergangenen Jahre zu erheblichen Teilen auf Kosten des Mittelstandes finanziert. Ich kritisiere das nicht, das mussten wir machen. Jetzt ist es aber notwendig, den Tarif nachhaltig anzupassen. Das beginnt damit, dass wir den Einkommenssteuersatz drastisch senken und den Höchststeuersatz unter die 50-Prozent-Marke bringen sollten, um ein Signal zu setzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass 50 Prozent Spitzensteuersatz bei Einkommen ab 51.000 Euro einfach nicht gerechtfertigt ist. Im Sinne der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts würde ich mir wünschen, dass wir den Spitzensteuersatz auf 44 Prozent senken und dass er erst ab 60.000 Euro wirksam wird.
Als ehemaliger Politiker muss Ihnen doch bewusst sein, dass dies in einer großen Koalition schwierig umzusetzen sein wird.
Das sehe ich gar nicht so pessimistisch. Wir leben im Zeitalter der Globalisierung, das bedingt den Wettbewerb der Wirtschaftstandorte. Für den Standort Österreich wäre es sehr positiv, wenn wir nach der Senkung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent auch den Spitzensteuersatz der Lohn- und Einkommenssteuer, der große psychologische Effekte hat, senken. Aber natürlich geht es um eine Gesamtreform, die auch soziale Aspekte berücksichtigt. Deshalb sollte der Steuersatz für Einkommen zwischen 10.000 und 25.000 Euro von 38 Prozent auf 30 Prozent und für Einkommen zwischen 25.000 und 60.000 Euro auf 40 Prozent gesenkt werden. Da viele Menschen, besonders jüngere, selbständig tätig sind, würde ich das Modell des 13. und 14. Gehalts mittelstandsfreundlich gestalten und bis zu einem Monatseinkommen von 5000 Euro allen zugänglich machen.
Das würde Ihren Berechnungen zufolge zwischen fünf und sechs Milliarden Euro kosten. Was natürlich die Frage aufwirft, wie das finanziert werden soll?
Ich würde auf jeden Fall auch die steuerliche Begünstigung für Aktienoptionen von Managern ersatzlos streichen. Man könnte, um ein anderes Beispiel zu nennen, die Besteuerung von Überstundenzuschlägen vereinfachen. Für fünf Überstunden, nicht die Überstunde selbst, aber den Zuschlag steuerfrei zu lassen, ist absurd aufwendig zu berechnen. Man kann viele Vereinfachungen vornehmen und das ganze Steuerrecht überschaubar und transparenter gestalten. Einen solchen großen Wurf sollte die große Koalition andenken. Das braucht aber Vorbereitung und Zeit, daher halte ich 2010 für den richtigen Zeitpunkt.
Da bleibt immer noch eine große Finanzierungslücke.
Eine stärkere Besteuerung des Glücksspiels bei gleichzeitiger Liberalisierung würde vermutlich mehr als eine Milliarde bringen. Eine vorsichtige weitere Ökologisierung des Steuersystems ist sicher ebenfalls sinnvoll. Man kann mittelfristig über fahrleistungsabhängige Mautsysteme nachdenken. Aber ich will das nicht zur Gänze gegenfinanzieren. Die Nettoentlastung sollte drei oder dreieinhalb Milliarden betragen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass der Staat eine Steuerreform nur dann durchführen soll, wenn es schon einen Budgetüberschuss gibt. Das ist mir zu defensiv. Bei einer Staatsquote, die die 50-Prozent-Marke überschreitet, hat der Staat verdammt noch einmal mit Einsparungen das Volumen zu vergrößern, damit diese Entlastung auch nachhaltig ist.
Wo sollen jene dreieinhalb Milliarden, die nach Ihrer Rechnung übrig bleiben, mittelfristig eingespart werden? Wem wollen Sie die wegnehmen?
Das ist relativ einfach. Wir sollten ernsthaftes Zero Based Budgeting betreiben, also jedes Jahr neu überlegen, ob Leistungen des Staates und die damit verbundenen Kosten noch sinnvoll und nötig sind. Der Staat hat so viele Aufgaben an sich gezogen, kaum einer weiß noch, was das alles kostet. Ich nenne ein Beispiel, ohne dass ich das werte: Wer ist sich bewusst, dass wir für das Transfersystem im Bereich Familien 6,4 Mrd. Euro ausgeben? Ich glaube, kaum jemand.
Heißt das, dass Sie eine Reduktion der Familienförderung befürworten?
Nein, das heißt es nicht. Aber man muss sich der Kosten jeder Staatsleistung bewusst sein.
Wenn Sie bei der Familienförderung nicht sparen wollen, wo setzen Sie dann den Rotstift an?
Mit dem Diktat der leeren Kassen kann man den Staat zwingen, Aufgaben und Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen, etwa die Gesundheitsreform auch von der Kostenseite her anzugehen. Man muss diese Mentalität des sich selbst finanzierenden Perpetuum mobiles - immer wenn das Geld ausgeht, werden Beiträge und Abgaben erhöht - durchbrechen, sonst schieße ich mich irgendwann aus dem internationalen Wettbewerb heraus. Ich habe gar kein Problem, wenn zeitweise ein Budgetdefizit von einem Prozent oder etwas mehr entsteht.
Es ist bemerkenswert, das aus Ihrem Mund zu hören.
Man muss den Staat dazu bewegen, die Kosten seiner Leistungen zu bedenken; zu hinterfragen, ob der Anspruch, sozial sein zu wollen, tatsächlich noch verwirklicht wird, oder ob das nicht vielleicht bereits eher sozialistisch in einem negativen Sinn ist, weil der Staat seinen Bürgern mittels Steuern und Abgaben dafür so viel Geld abnehmen muss, dass es unsozial ist. Wenn einem jungen Menschen, der sich erst etwas erarbeiten will, von jedem Schilling, den er zusätzlich verdient, inklusive Sozialversicherung mehr als 50 Prozent weggesteuert werden, ist das nicht mehr fair.
Trotzdem befürworten Sie eine neue Steuer, die Vermögenszuwächse zusätzlich besteuern soll?
Ich bin ein vehementer Gegner von Vermögensbestandssteuern, auch wenn die jetzt wieder in Mode zu kommen scheinen. Eine Capital Gains Tax oder Vermögenszuwachssteuer ist allerdings überlegenswert und würde Steuerlücken beseitigen. Es ist nicht einzusehen, dass ich für ein Sparbuch Zinsen zahle und für Ansparmodelle auf Basis von Aktien nicht.
Diese Steuer soll nach Ihren Plänen gleich hoch wie die Kapitalertragssteuer sein. Übersehen Sie dabei nicht, dass Aktien- oder Immobilieninvestments im Gegensatz zu Sparbüchern oder Bundesanleihen ein erheblich höheres Risiko haben?
Die Steuer würde ja nur realisierte Vermögenszuwächse betreffen, Verluste sollen gegengerechnet werden können. Wir erleben ja derzeit gerade, dass die Aktienkurse und Immobilienpreise nicht nur nach oben, sondern auch nach unten gehen können.
Wäre es da nicht vernünftig gewesen, auf die Abschaffung der Erbschaftssteuer zu verzichten?
Nein, ganz im Gegenteil. Eine solche Capital Gains Tax ist eine Endbesteuerung, die Abschaffung der Erbschaftssteuer daher auch in diesem Sinne konsequent und richtig. Ich möchte mich nicht selbst loben, aber es war rückblickend für den Wirtschaftsstandort Österreich eine großartige Idee, dass mein damaliger Partner Ferdinand Lacina und ich uns im Jahr 1989 bei der KESt für eine Abzugssteuer entschieden haben; dass wir nicht das Gleiche wie die Deutschen gemacht haben, wo das individuell in jeder Einkommenssteuererklärung berücksichtigt werden muss und zudem ein höherer Steuersatz gilt, was zu enormem bürokratischen Aufwand und gewaltiger Kapitalflucht geführt hat.
Ist nicht zu befürchten, dass eine Vermögenszuwachssteuer das zarte Pflänzchen des heimischen Kapitalmarktes in Mitleidenschaft zieht?
Ich glaube nicht, dass ein Steuersatz von 25 Prozent abschreckend wirkt. Für wichtiger halte ich diesbezüglich, dass die Seriosität des Kapitalmarkts sichergestellt wird und die Anleger entsprechend aufgeklärt werden und sich der Risken bewusst sind. In Österreich schlittern manche Leute ja immer noch sehr unreflektiert und obrigkeitsgläubig in relativ riskante Sparformen hinein.
Welche Sparformen halten Sie für riskant?
Wenn die Menschen mittels massiver Werbung aufgefordert werden, ihre Sparschweine zu knacken, also Sparbücher zu leeren, um in Wertpapiere zu investieren, weil die Rendite angeblich höher ist, ist das sicher fragwürdig, wenn nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass diese Rendite im Gegensatz zum Sparbuch keineswegs gesichert ist. Ich denke da etwa an die Werbebotschaften für Meinl European Land.
Sie sind kein enger persönlicher Freund von Herrn Meinl?
Nein, bin ich nicht. Aber das gilt für andere Anbieter auch. Österreich ist ein kleiner Kapitalmarkt, mit dem man besonders pfleglich umgehen muss.
Zur Person
Johannes Ditz wurde 1951 in Kirchberg am Wechsel geboren und studierte Volkswirtschaftslehre in Wien. Er arbeitete nach seiner Promotion kurzzeitig in der IV und wechselte 1979 ins Wirtschaftsreferat der ÖVP. 1987 wurde Ditz Staatssekretär unter Finanzminister Ferdinand Lacina, trat aber nach eineinhalb Jahren wegen Differenzen mit Parteiobmann Alois Mock zurück. 1991 übernahm Ditz erneut das Finanzstaatssekretariat, 1995 wurde er für ein Jahr Wirtschaftsminister. 1996 wechselte Ditz in den Vorstand der Post und Telekom AG, 1999 wurde er ÖIAG-Vorstand. 2003 übernahm er den Aufsichtsratsvorsitz der Estag. 2006 war er Vorstand der A-Tec. Zurzeit ist Ditz als Unternehmensberater tätig, 2007 wurde er Präsident der Julius Raab Stiftung.