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Staaten im Staat

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Ehemalige Verfassungsgerichtshof-Präsidenten machen sich Sorgen um die mögliche nachträgliche Beeinflussungen von Wahlen wegen der brieflich abgegebenen Stimmen. Nun, ob die Stimmabgabe von Zweit- und Plötzlichwohnsitzern in Niederösterreich die reine demokratische Lehre darstellte, darf bezweifelt werden. Da fehlte der Aufschrei allerdings. Die Verfassungsrichter sehen einen möglicherweise morschen Baum, aber nicht den Zustand des Waldes.


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Im Gebälk des rechtsstaatlichen Gebildes "Republik Österreich" knirscht es. Das Recht geht nicht mehr vom Volke aus, sondern von Standesvertretern, die sich untereinander schützen. Das Volk mag im Recht sein, aber durchzusetzen ist es nicht.

Die Einvernahme von zwei Journalisten in der Causa Hypo durch die Staatsanwaltschaft im Zuge eines Rechtshilfeverfahrens sei "ein Fehler" gewesen, räumte die Justizministerin ein. Um gleich darauf abschwächend zu bemerken, auch ein "unabhängiges Gericht" sah das so. Nun, die heimische Justiz schaut so aus, dass Richter längst nicht nur nach "sachlichen Kriterien" vorgehen und urteilen. Die furchtbare Wahrheit schaut so aus, dass viele Richter nur versuchen, keine Verfahrensfehler zu machen, und die endgültige Entscheidung der nächsten Instanz überlassen. Manche missbrauchen ihre Macht auch für bloße Willkür.

Dass dies alle Beteiligten bloß Geld kostet und die Richter davon abhält, schneller und effizienter zu arbeiten, interessiert im Justizsystem offenbar nur Professoren von juridischen Fakultäten. Gleichzeitig sind die Richter aber in der Kontrolle so abgeschottet, dass sie tun und lassen können, was sie wollen. Dass Kontrolle und Unabhängigkeit zwei paar Schuhe sind, ist irgendwann auf dem Weg durch die Instanzen verloren gegangen. Wenn das Kopieren eines Gerichtsaktes mehr kostet als der Streitwert, dann verliert ein System seinen Sinn, denn es gebiert eine Zwei-Klassen-Justiz: Wer es sich leisten kann, obsiegt - weil alle anderen dazwischen pleitegehen.

Verwaltungsvereinfachung hieß in Österreich zuletzt meist: Vereinfachung für die Behörden. Selbstzweck statt Bürgernähe. Dies ist auch in Wahlbehörden zu beobachten. Das rechtsstaatliche System Österreich wird innen immer hohler, es passieren haarsträubende Dinge, nur um diese Leere zu überdecken. Darüber sollten sich Minister, Abgeordnete und ehemalige Verfassungsgerichtshof-Präsidenten den Kopf zerbrechen - das würde sich wirklich auszahlen.