Die Europäische Union sollte bei Katalonien dieselben Maßstäbe ansetzen wie etwa bei den Abspaltungen von Montenegro und dem Kosovo.
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Spanien und die EU können kurzfristig aufatmen. Der separatistische Regierungschef Kataloniens und seine Partei haben einen Dämpfer erhalten und das Wahlziel weit verfehlt. Aber: Die Parteien, die Katalonien von Spanien abspalten wollen, wurden insgesamt gestärkt. Das Thema bleibt aktuell auf der Tagesordnung. Die helle Aufregung von EU-Repräsentanten mit versteckten Drohungen an die Separatisten ist nicht nachvollziehbar. Staaten entstehen, Staaten verschwinden. Das ist nichts Ungewöhnliches in der Geschichte, siehe den Zerfall der UdSSR, Jugoslawiens und Serbiens. Die EU begleitete die Abspaltungen Montenegros und des Kosovo mit Sympathie. Man darf nicht mit zweierlei Maß messen.
In Diktaturen führen Abspaltungen meist zu Kriegen. Demokratien sollten friedliche Lösungen finden, wie die Slowakei und Tschechien.
Die Gründe für Abspaltungen liegen fast immer in der Unzufriedenheit mit dem Gesamtstaat und dessen Unfähigkeit zum konstruktiven Dialog mit den Regionen über deren Wunsch nach mehr Eigenständigkeit. Vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten fühlen sich ökonomisch stärkere Regionen (selbst von der Krise stark betroffen) von der Zentralregierung abgezockt. Katalonien bekommt nur ein Drittel seines Steueraufkommens zurück. Verhandlungen über eine Neuregelung lehnte die Zentralregierung ab - und Katalonien schrieb vorzeitige Neuwahlen aus. Der Teufelskreis setzte sich fort: Der Nationalstaat drohte und machte noch mehr Druck, agierte noch zentralistischer, die separatistischen Emotionen kochten.
In Katalonien sitzen außerdem noch die Wunden aus der Franco-Diktatur (1939 bis 1975) sehr tief. Sie war geprägt von brutalen Repressionen gegenüber Katalonien, die katalanische Sprache war geächtet, der Schulunterricht fand bis 1967 ausschließlich auf Spanisch statt. Erst seit 1978 genießt Katalonien einen hohen verfassungsmäßig abgesicherten Autonomiestatus, allerdings keine Steuerautonomie.
Wenn die britische Regierung ihren irrational anti-europäischen Kurs fortsetzt, wird die Stimmung für eine Abspaltung im europafreundlichen Schottland noch intensiver werden. Schottland bringt auch alle Voraussetzungen für einen neuen EU-Mitgliedstaat mit sich. Und ist gewillt, der Eurozone beizutreten.
Europa kann nicht nach Gutdünken reagieren, es muss objektive Kriterien schaffen, die für alle gelten - für einen Ausstieg ebenso wie für die Verschmelzung von Ländern. Wie bei Montenegros Unabhängigkeit. Die EU legte die Mindestbeteiligungsquote mit 50 Prozent und die Mindestzustimmungsquote mit 55 Prozent fest. Erst als das Referendum die beiden Kriterien erfüllte, folgte die Anerkennung. Ebenso muss ein verkürztes Aufnahmeverfahren für neue Staaten, die sich von einem EU-Mitgliedstaat abgespalten haben, geschaffen werden.
Auch wenn Katalonien, Schottland, Belgien, Grönland, Korsika, Norditalien, Südtirol, die Vojvodina oder Nordzypern latente Fälle für Unabhängigkeitsbestrebungen sind, ist in der EU Gelassenheit gefragt. Zuerst sind dies langwierige innerstaatliche Angelegenheiten. Oberstes Ziel der muss ein friedlicher Ablauf sein.