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Staaten schmieden Strategien

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

In zwei Monaten, am 4. Oktober, werden in Rom die Verhandlungen über den EU-Verfassungsentwurf in der Regierungskonferenz beginnen. Ob tatsächlich bis Dezember ein Endergebnis vorliegen wird, hängt von den Änderungswünschen ab.


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Der bestmögliche Verfassungskompromiss soll erzielt werden, beteuern die EU-Staaten. Hinter verschlossenen Türen schmieden sie freilich bereits Strategien und Gegenvorschläge, um Änderungswünschen der EU-Partner Paroli bieten zu können.

Bedenken meldeten vor allem kleinere Länder wie Österreich, Irland, Finnland und Portugal an. Sie stoßen sich an dem Vorschlag, dass die bisher halbjährlich wechselnde Ratspräsidentschaft abgeschafft und ein hauptamtlicher EU-Präsident installiert werden soll. Auch sind sie gegen eine Verkleinerung der Kommission; sie halten an dem Prinzip "ein Kommissar pro Mitgliedsland" fest. Denkbar ist, dass sich die kleineren Länder mit dieser Forderung durchsetzen und sie dafür dem neuen EU-Präsidenten zustimmen. Zudem könnte Finnland als kleineres EU-Land mit Ex-Premier Paavo Lipponen den künftigen EU-Kommissionspräsidenten stellen.

Von den meisten künftigen EU-Staaten wird kaum Widerstand gegen den Verfassungsentwurf erwartet. "Die müssen ihr politisches Kapital zusammenhalten, um es voll in die Verhandlungen über die Verteilung des EU-Budgets zwischen 2007 bis 2013 einbringen zu können", meinte ein EU-Diplomat. Lediglich Polen möchte - ebenso wie Großbritannien und Spanien - die "alten" Stimmrechte (gemäß Nizza-Vertrag) beibehalten. Demnach haben Polen und Spanien im Ministerrat 27 (gewichtete) Stimmen, um zwei weniger als das doppelt so bevölkerungsreiche Deutschland. Der Verfassungsentwurf sieht jedoch eine doppelte Mehrheitsabstimmung (die Hälfte der Mitgliedstaaten, die mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) vor. Weitere Vorbehalte hat Großbritannien bezüglich der Verteidigungskooperationsklausel, der europäischen Staatsanwaltschaft und der Mindeststeuersätze angemeldet.

All der Änderungswünsche zum Trotz möchte Italiens Premier Silvio Berlusconi als EU-Ratspräsident die Regierungskonferenz im Dezember abschließen. Indes bereitet sich aber Irland als nachfolgendes Vorsitzland darauf vor, die verfassungsgebende Konferenz übernehmen zu müssen.