Der Amsterdamer Bürgermeister Eberhard van der Laan will Erfolge mit anderen Städten teilen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wasserreiche Kanäle, Internationalität und Fahrräder. Amsterdam, das ist hohe Lebensqualität und ein urbanes Erfolgsmodell, an dem sich viele andere Städte messen. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" spricht der sozialdemokratische Amsterdamer Bürgermeister Eberhard van der Laan über die Probleme der Stadt und warum Städte in der EU das Sagen haben sollten.
"Wiener Zeitung": Herr van der Laan, Amsterdam ist in vielerlei Hinsicht ein Maßstab für andere Städte. Doch wie sieht die Kehrseite der Medaille aus? Vor welchen Herausforderungen steht die Stadt?
Eberhard van der Laan: Es gibt genügend Probleme in Amsterdam. Wir haben zum Beispiel eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Es ist wirklich furchtbar. 20 Prozent der Jugendlichen haben keinen Job. In einigen Bezirken sind es sogar bis zu 40 Prozent.
Ein weiteres Problem ist die hohe Besucheranzahl. Vielen Bewohnern ist die Stadt zu ausgelastet, zu überfüllt. Viele Amsterdamer beklagen sich über zu viele Touristen. Sie haben das Gefühl, dass die Stadt mittelfristig nicht mehr ihre Stadt sein wird, wenn wir nicht jetzt eine Balance finden.
Wie wollen Sie diese Balance gewährleisten?
Wir wollen den Tourismus auch in die Außenbezirke und in die anderen Nachbarstädte wie Rotterdam oder Den Haag ausdehnen. Wir sind eine holländische Stadt und wir wollen eine verantwortungsvolle Hauptstadt sein. Deswegen sagen wir: Der Erfolg von Amsterdam soll auch der Erfolg von Holland sein. Wenn ein Tourist nach Amsterdam kommt und ein Museum besucht, sollte das Ticket auch für Museen in Den Haag oder Rotterdam gültig sein. Auch die Fahrscheine der öffentlichen Verkehrsmittel könnten ebenso für die Nachbarstädte und den Bereich dazwischen gelten. Durch den starken internationalen Zuzug steigen die Immobilienpreise, die jetzt schon zu hoch sind. Das negative Extrembeispiel ist in diesem Fall London. Ich bin ein großer Fan dieser Stadt. Aber sie ist zu teuer geworden für die Londoner, die immer mehr nach außen gedrängt werden.
Was schlagen Sie vor, damit die Immobilienpreise leistbar bleiben?
Ganz einfach: Wir wollen mehr in die Höhe bauen. Die Innenstadt und Grünflächen sollen dabei aber nicht angetastet werden.
Sie haben das Konzept der Hauptstadt als veraltet kritisiert. Warum?
Wir müssen uns mehr als Regionen begreifen. Wenn Amsterdam sich als Rivale von Rotterdam sehen würde, wäre das Selbstmord. Im globalen Maßstab sind beide Städte nur eine Stadt. Wir liegen 80 Kilometer auseinander. Peking ist etwa 70 Kilometer lang. Wenn man zusammenarbeitet, profitiert die eine Stadt von den Vorzügen der anderen. Rotterdam hat einen wunderbaren Hafen. Man könnte also sagen: Rotterdam ist für die Güter, wir sind für die Menschen zuständig.
Sie haben zuvor betont, dass der Erfolg von Amsterdam auch der Erfolg von Holland sein soll. Heißt das, dass Städte nur innerhalb der Landesgrenzen voneinander profitieren sollen?
Nein, für Eindhoven wäre es zum Beispiel sinnvoll, gemeinsam mit Aachen in Deutschland zu denken und zusammenzuarbeiten. Hamburg sehen wir auch als Teil unserer Region. In Europa müssen wir zusammenarbeiten. Das ist die Zukunft. Ich kann von Glück sagen, dass ich der Bürgermeister von Amsterdam bin. Die Stadt steht wirtschaftlich sehr gut da. Es gibt viele Unternehmen aus China, Indien, Brasilien, Japan, Korea, und so weiter. Seit vielen Jahrhunderten ist Amsterdam eine vitale internationale Stadt. Die Amsterdamer sind es gewöhnt, tolerant, offen und divers zu sein. Das ist der Schlüsselfaktor im internationalen Business.
Steht Amsterdam auch in einem Austausch mit Wien?
Nein. Aber ich bin sehr beeindruckt von Wien. Ich habe noch nie so eine saubere Stadt gesehen und ich reise sehr viel. Sehr gut organisiert. Wir haben Partnerschaften mit Paris, London und Berlin. Auch Athen ist ein Partner von uns. Die Stadt steckt wirklich in Schwierigkeiten. Und sie brauchen Hilfe. Amsterdam steht sehr gut da und heute brauchen sie uns. Aber vielleicht ist es in 100 Jahren umgekehrt. Wir müssen Brücken bauen und das ist auch im Interesse unser Städter.
Beim Bürgermeistertreffen in Wien am Dienstag forderten die Städte mehr Macht in der EU. Was ist Ihr Standpunkt dazu?
Ich halte es wie der US-amerikanische Harvard-Professor, Benjamin Barber. Barber sagt, dass Städte in der Rolle der Problemlöser und Macher sind. Das liegt daran, weil Städter Lösungen stärker einfordern als Nicht-Städter. Staaten würden hingegen immer häufiger ineffektiv, festgefahren und dysfunktional werden. Barber sagt, um Probleme zu lösen, sollen die Probleme gemeinsam mit anderen Städten gelöst werden. Weg von den Streitereien in den nationalen Parlamenten.