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Staatliche Heuschrecken im Anflug

Von Harald Waiglein

Wirtschaft

Bartenstein für Übernahmeprüfung durch Kommission. | Großbritannien gegen EU-Regelung. | Wien/London/Brüssel. Müssen Europas Unternehmen besser vor der Übernahme durch staatlich gelenkte, ausländische Investmentgesellschaften geschützt werden? Immer mehr europäische Politiker beantworten diese Frage mit Ja.


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Am Wochenende hat der sonst als liberal geltende EU-Handelskommissar Peter Mandelson Goldene Aktien (Aktien mit speziellen Vetorechten, Anm.) als mögliches Abwehrmittel genannt, in Deutschland prüft die Regierung eine Reform des Außenwirtschaftsgesetzes zum besseren Schutz vor Staatsfonds und in Österreich spricht sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein für eine europaweite gesetzliche Regelung sowie nationale Kommissionen aus. Diese sollen prüfen, ob durch einen Einstieg strategische Interessen eines Landes verletzt werden.

Doch nicht alle sind der Meinung, dass stärkere Schutzmaßnahmen nötig sind: In Deutschland warnt etwa die Industrie davor, dass der potenzielle Einfluss ausländischer Staaten durch den faktischen Einfluss der heimischen Politik ersetzt werden könnte. Und auch der neue britische Finanzminister Alistair Darling erteilt solchen Forderungen eine Absage: Diese seien lediglich ein Vorwand für einen neuen Protektionismus in Europa.

Der erste Staatsfonds

Das Phänomen staatlich gelenkter Investment-Fonds ist nicht neu. Der erste derartige Fonds wurde 1956 durch die Briten auf den Gilbert-Inseln im Pazifik ins Leben gerufen. Die Inseln lebten vom Export von Phosphaten aus Vogelkot, die für die Produktion von Dünger benötigt wurden. Da absehbar war, dass die Reserven irgendwann erschöpft sein würden (was 1979 der Fall war), wurde eine Export-Abgabe eingehoben. Die Mittel daraus wurden in einen Fonds eingebracht. Heute ist der Fonds mit 520 Mio. Dollar neunmal so groß wie das Brutto-Inlandsprodukt des Staates Kiribati, dem die Gilbert-Inseln angehören.

Neu ist allerdings, dass durch boomende Exporte und hohe Öl- und Gaspreise die arabischen und asiatischen Staaten derzeit enorme Devisenreserven anhäufen. Bisher wurden diese von den Notenbanken vor allem in ausländische Staatsanleihen investiert. Nun versuchen allerdings immer mehr Staaten, Devisen durch eigene Staats-Investmentfonds auch in Aktien und Unternehmensbeteiligungen zu investieren.

Dabei geht es um enorme Beträge: Nach Schätzungen der Investment-Bank Morgan Stanley verfügen Staatsfonds derzeit weltweit über ein Kapital von 2500 Mrd. Euro. Zum Vergleich: In den als Heuschrecken verschrienen Hedge-Fonds liegen weltweit nur etwa 1600 Mrd. Euro.

Mit diesem Kapital ist denkbar, dass kommunistische Staaten wie China westliche, börsennotierte Unternehmen einfach aufkaufen oder sich beteiligen, um die Firmenpolitik zu beeinflussen.

Welche politischen Auswirkungen solche Beteiligungen haben können, zeigt das Beispiel Thailand: Im Jahr 2006 kaufte dort Temasek, die staatliche Investment-Gesellschaft von Singapur, 49 Prozent am Telekom-Konzern Shin Corp, die sich im Besitz des damaligen Premiers Thaksin Shinawatra befanden. Die öffentlichen Proteste gegen diesen "Ausverkauf" führten letztlich zu Shinawatras Sturz durch einen Militärputsch.