Die Politik darf Ermittlungen nicht für sich vereinnahmen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es ist unverkennbar, wer der Star in der neuen Strategie der Grünen ist: Justizministerin Alma Zadic. Seit der Veröffentlichung des Schmid-Protokolls betont die Partei, die Koalition mit der ÖVP müsse weitergehen, damit Zadic im Amt bleibe. Den Anfang machte der Nationalratsabgeordnete Michel Reimon, danach legte Mandatar Georg Bürstmayr nach und twitterte, die ORF-Sendung "Im Zentrum" zur Causa Thomas Schmid "wäre nicht möglich gewesen ohne @Alma_Zadic als Justizministerin, weil wir fast nichts von dem, was da diskutiert wurde, überhaupt erfahren hätten".
Er malt damit ein Bild von Staatsanwälten als politische Knechte, die erst durch Zadic von ihren Fesseln befreit worden seien. Alles wäre im Ressort von ÖVP-Kreisen unter den Tisch gekehrt worden, wäre Zadic nicht Ministerin geworden, wird suggeriert.
Das ist eine starke Erzählung. Sie ist aber auch befremdlich. Haben die Grünen so wenig Vertrauen in die Fähigkeiten der Staatsanwälte, der Beamtenschaft und der unabhängigen Richter? Brauchten diese eine erlösende Gestalt, die sie aus der Verdammnis der Politik ans Licht führt? Wenn das so zuträfe, müssten alle politisch brisanten Ermittlungen und Urteile der vergangenen Jahrzehnte neu aufgerollt werden.
Doch spricht einiges dafür, dass Bürstmayr & Co. übers Ziel hinausschießen. Die Razzia in der Causa Casinos, bei der Schmids Handy beschlagnahmt wurde, fiel noch in die Amtszeit von Justizminister Clemens Jabloner. Diese Causa und dieses Handy waren der Ausgangspunkt für alle weiteren Ermittlungen. Und bisher kam niemand auf die Idee, Jabloner deshalb zur politischen Lichtgestalt zu erheben. Wohlgemerkt: Damals war auch noch Christian Pilnacek führender Beamter im Justizressort.
Fraglich ist, wie Zadic den weiteren Verlauf der Verfahren ermöglicht haben soll. In die Ermittlungen mischt sie sich ja nicht ein, wie sie betont. Dass sie intern für Ruhe nach den Konflikten der vergangenen Jahre gesorgt hat, bestätigen Justizvertretern diverser Seiten. Aber hätte etwa der von ihr suspendierte Pilnacek alle Ermittlungen am Rechtsstaat, an der Ministerin und am Weisungsrat vorbei "daschlogn" und alle Aktenweitergaben an Medien verhindern können? Bei allen Kontroversen um ihn - ob er das hätte bewerkstelligen können, ist zweifelhaft.
Österreichs Parteien müssen endlich aufhören, die Ermittlungen und die Justiz zu politisieren und zu vereinnahmen - egal, ob es nun darum geht, Staatsanwälte als rot-linke Zellen zu diffamieren oder sich als deren Schutzpatron zu inszenieren. Sonst wird das Grundvertrauen in den Rechtsstaat weiter unterminiert.