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Staatsfonds: Die Finanzgiganten versetzen Industrieländer in Panik

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Ihr "Spielkapital" beträgt 3,8 Billionen amerikanische Dollar. | Intransparente Investmentfonds verbreiten Angst. | Neuerdings ist Imagepflege angesagt. | Wien. Der Scheich ist der oberste Boss. Khalifa bin Zayed Al Nahyan, Herrscher im Arabischen Emirat Abu Dhabi, fungiert bei der Abu Dhabi Investment Authority (kurz Adia) als Chairman of the Board. Dieses seit 1976 bestehende Unternehmen reinvestiert überschüssige Erlöse aus dem Öl- und Erdgasgeschäft im In- und Ausland und gilt mit 875 Milliarden Dollar Kapital als eine der weltweit größten Investmentgesellschaften. Die Adia machte zuletzt im November 2007 Schlagzeilen, als sie für 7,5 Milliarden Dollar Anteile an der durch Fehlspekulationen ins Schlingern geratenen US-Bank Citigroup kaufte.


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Das 60jährige, vollbärtige Staatsoberhaupt, das zu den reichsten Menschen der Welt zählt, ist mit der geheimnisvollen Gesellschaft aus dem Wüstenemirat die Nummer eins der sogenannten Staatsfonds - einer als machthungrig geltenden Spezies wirtschaftlicher Schwergewichte, die auf den internationalen Finanzmärkten kräftig umrühren.

Enormer Reichtum lässt den Westen zittern

Die rund 50 Sovereign Wealth Fonds aus 35 Ländern werden argwöhnisch beäugt: Es bestehe die Sorge, warnte der Geheimdienstberater von US-Präsident George W. Bush, Mike McConnell, "dass Länder wie China oder die Opec-Staaten ihren Marktzugang für finanziellen Einfluss mit politischen Zielen ausnutzen könnten". Die Angst vor den Investoren, die meist wenig von Transparenz halten, wächst in allen Industrieländern - und ist in Deutschland, nimmt man Medienberichte als Maßstab, drauf und dran, Ausmaße einer Massenhysterie anzunehmen.

Die 32 wichtigsten staatlichen Investmentfonds verwalten laut Sovereign Wealth Fund Institute ein Vermögen von 3,8 Billionen Dollar. Die Top 10-Gesellschaften allein (siehe Tabelle), die in ölproduzierenden Ländern wie den Emiraten, Norwegen, Saudi Arabien und Kuwait, aber auch in China, Russland und Singapur beheimatet sind, bringen es auf 85 Prozent aller Assets - und verfügen damit über weit mehr Kapital als sämtliche Hedge Fonds.

Das Vermögen der Staatsfonds, prognostizieren Experten von Morgan Stanley, werde bis 2015 auf 12 Billionen Dollar anwachsen - das wäre mehr, als die offiziellen Devisenreserven der Zentralbanken ausmachen.

In jüngster Zeit haben die Big Player als Retter angeschlagener Geldinstitutionen für Furore gesorgt: Der GIC-Fonds in Singapur etwa stieg mit 10,8 Milliarden Dollar bei der Schweizer UBS ein. Ein anderer Singapur-Fonds namens Temasek Holdings beteiligte sich mit fünf Milliarden Dollar an der Investmentbank Merrill Lynch. Die China Investment Corp. kaufte sich mit ebenfalls fünf Milliarden bei Morgan Stanley ein, und ein kuwaitischer Fonds mischt - neben den Kollegen aus Abu Dhabi - bei der Citigroup mit.

Auch in anderen Bereichen machten sich Staatsfonds bemerkbar: Dubai International Capital, im Besitz von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, dem Premierminister der Emirate, verkündete im November 2007 stolz einen Coup in Japan: Sie war bei Sony eingestiegen.

Zweites Beispiel: Der staatliche Investmentfonds Mubadala Development Company mit Sitz in Abu Dhabi legte sich 8,1 Prozent am Chip-Hersteller AMD Advanced Micro Devices zu.

Die Scheichs sind stärker als der Sultan

Die Finanzgiganten mit staatlichem Background treten in völlig unterschiedlichem Format auf: Der 1990 etablierte norwegische Government Pension Fund Global etwa, der hinter dem kalifornischen Calpers auch zweitgrößter Pensionsfonds der Welt ist, hat 40 Prozent seines Vermögens, das an die 400 Milliarden Dollar ausmacht, in nicht weniger als 3500 (meist ausländischen) Unternehmen angelegt. Bis zu 50 Prozent seines Portfolios darf er an den Aktienmärkten investieren, was naturgemäß spekultative Anlageformen inkludiert. Der von der Norges Bank gemanagte Fonds hat sich allerdings an strenge Vorgaben zu halten: Hohe Transparenz versteht sich bei den Norwegern von selbst.

Eine Klasse für sich sind die Investment-Vehikel von Saudi-Arabien, die in der Weltstatistik Platz drei belegen: Die absolute Monarchie in Vorderasien setzt auf die Saudi Arabian Monetary Agency (Sama), die auf ihrer Einkaufstour via SAMA Foreign Holdings 365 Milliarden Dollar ausgegeben hat.

Die Kuwait Investment Authority (Kia) wiederum hat den Auftrag, für die Zukunft des Landes vorzusorgen - wenn also die Erdölreserven versiegt sind. Sie hält zur Zeit 264 Milliarden Dollar an Vermögenswerten, darunter Anteile an der Daimler AG und der BP.

Hassanal Bolkiah (62), Sultan und Premierminister von Brunei, kann mit den Kuwaitis nicht ganz mithalten: Er rangiert mit seiner Brunei Investment Agency, die über 30 Milliarden Dollar Spielkapital verfügt, nur im Mittelfeld. Der steinreiche Herrscher - er galt 1997 mit einem geschätzten Vermögen von 55 Milliarden Dollar als reichster Mann der Welt - residiert im Istana Nurul Iman, dem weltgrößten Palast, wo ihm 1788 Räume und 257 Badezimmer zur Verfügung stehen.

Russischer Fonds hält sich für harmlos

Dass die neuen Dagobert Ducks für diffuse Ängste sorgen, hat primär damit zu tun, dass hinter den größten Fonds meist schwer berechenbare Regime stehen, die autokratisch und demokratiefern sind. Die Befürchtung, dass sie aus politischen und strategischen Interessen handeln, wenn sie sich gezielt in westliche Schlüsselindustrien einkaufen, hat in erster Linie mit China und Russland zu tun.

Die chinesische Regierung hat sich Mitte 2007 entschlossen, einen 300 Milliarden Dollar schweren Staatsfonds aufzulegen, der aus riesigen Devisenreserven gespeist werden soll, die bislang in wenig rentablen US-Staatsanleihen angelegt waren. Sie verfolgt mit der State FX Investment Corp. + Hueijing Co. das Ziel, interessante ausländische Unternehmen aufzukaufen. Die erste Tranche, drei Milliarden Dollar, floss an die amerikanische Private-Equity-Firma Blackstone, eine typische "Heuschrecke", an der die Chinesen nun 9,9 Prozent der Anteile halten.

Neuerdings trumpfen sie dank der SAFE Investment Company, die von der staatlichen Devisenbehörde State Administration of Foreign Exchange (Safe) dirigiert wird, der China Investment Corporation und dem National Social Security Fund groß auf: Sie beteiligten sich klammheimlich an drei der vier größten australischen Banken. Die Staatsfonds sind im Reich der Mitte direkt dem Staatsrat unterstellt, was darauf hindeutet, dass Investitionen nicht nur aus Gründen der Rendite getätigt werden.

Auch vor Russland, das mit dem National Welfare Fund und rund 160 Milliarden Dollar im weltweiten Finanzcasino mitpokert, nimmt die Angst zu. Die Russen haben neuerdings ausländische Firmenanleihen und Aktien renommierter Industriekonzerne ins Visier genommen. Der Kreml, der es auf die für das Land wichtigen Industrien (Energie, Luftfahrt, Bau) abgesehen hat, betont allerdings, dass sich der Wohlfahrtsfonds als Finanzinvestor verstehe und nicht als strategischer Anleger. Motto: Vor uns braucht sich niemand zu fürchten.

Die Staatsfonds haben, so unterschiedlich sie sein mögen, ein gemeinsames Problem - das schlechte Image. Der Internationale Währungsfonds (IWF) richtete jüngst eine Arbeitsgruppe ein: In der zweiten Juli-Woche fand in Singapur ein Treffen von Repräsentanten der 23 größten staatlichen Investmentfonds statt. Hinter verschlossenen Türen war man bemüht, neue Richtlinien für mehr Transparenz auszuarbeiten. Im Herbst sollen diese vorliegen - sofern nicht die unterschiedlichen Interessen noch einen Strich durch die Rechnung machen.