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Bolivien ist in eine schwere politische Krise geschlittert. Generalstreiks und Straßenbarrikaden in Großstädten haben das Andenland großteils paralysiert. Demonstranten fordern eine Rücknahme der Benzinpreiserhöhung und eine angemessene Wasserversorgung. Präsident Carlos Mesa hat seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, dass es zu Ausschreitungen kommt.
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El Alto ist zum Schrecken bolivianischer Präsidenten geworden. Vor gut einem Jahr musste Präsident Lozada zurücktreten, nachdem bei Protesten in der 750.000 Einwohner Stadt 57 Menschen getötet worden waren. Jetzt ist die Stadt wieder in Aufruhr: Ein seit zwei Tagen anhaltender Streik hat die Stadt lahm gelegt. Da durch El Alto eine Hauptverkehrsader von La Paz führt, ist auch die angrenzende Hauptstadt paralysiert.
Hauptanliegen ist es, den Vertrag mit der Firma Aguas del Illimani zu lösen, die für das Trinkwasser der Stadt verantwortlich ist. Die Bewohner von El Alto werfen der Filiale des französischen Unternehmens Suez Lyonnaise des Eaux vor, vertragsbrüchig geworden zu sein: Die Firma missachte ihren Versorgungsauftrag und habe seit 1997 noch keine Infrastruktur zu den ärmsten Vierteln der Stadt aufgebaut. Zudem seien die Wasserpreise zu hoch.
Die Proteste richten sich auch gegen eine Erhöhung der Benzinpreise zwischen 10 und 20 Prozent. Dieser vor zwei Wochen gefasste Beschluss betrifft hauptsächlich die Provinz Santa Cruz, in der 60 Prozent des Benzinverbrauchs des Landes verbucht wird.
Mehrere Hunderttausend demonstrierten gestern in der Provinzhauptstadt (ebenfalls Santa Cruz). Unternehmer, die die Proteste anführten, forderten den Rücktritt Mesas. Den Protesten in der größten Stadt Boliviens schlossen sich vielen andere Städte an.
Der Präsident sieht in den Rädelsführern eine oligarchische Bedrohung. Er erklärte, dass "dunkle Mächte" diese Angelegenheit als Vorwand nutzten, um die Interessen kleiner Gruppen zu unterstützen und eine Konfrontation zu provozieren. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass sich die Regierung gezwungen sehe, mit Gewalt gegen die Demonstranten vorzugehen, will Mesa abdanken.
Die Regierung hat eine Senkung der Benzinpreise ausgeschlossen. Dafür wurde Berichten zufolge der Vertrag mit Aguas del Illimani aufgelöst. Der an die Firma zu zahlende Schadenersatz wird auf 50 Mio. Euro geschätzt. Das Unternehmen erklärte, alle Punkte des Vertrags erfüllt und noch keine Benachrichtigung erhalten zu haben.
Nach dem Aufstand in El Alto im Jahr 2003 musst der damalige Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada abdanken. Mesa beerbte ihn im Amt.