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Die von Darwin nachgewiesene Anpassungsfähigkeit der Arten wird in seinem Gedenkjahr erhärtet. Mit der Zeit ist die Finanzkrise so normal wie der Klimawandel.
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Wer stützt eigentlich wen? Die Briten stützen das Pfund, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Autoindustrie und die CDU-Wahlaussichten, US-Präsident Barack Obama die in Schulden geratenen Kleinhäusler, die RZB den osteuropäischen Standort (oder umgekehrt) und die österreichische Regierung mit der Autoverschrottungsprämie die Wegwerfgesellschaft.
Das Netz wechselseitiger Haftungen ist innerhalb weniger Monate so dicht geknüpft worden, dass man das Gefühl hat, auch die staatlichen Rückversicherer seien rückversichert. Im Nachhinein wirkt die gespenstische Nationalratssitzung vom 24. September 2008, in der unmittelbar vor der Nationalratswahl drei Milliarden Euro in den Rauchfang geschickt wurden, wie ein ausgelassener Polterabend erwachsener Politiker.
Heutzutage schieben die Staatslenker dreistellige Milliardenbeträge hin und her, ohne nachweisen zu können, dass das Geld überhaupt vorhanden ist. Nur selten wird die Frage gestellt, was mit den Schuldengebirgen, die die Staaten anhäufen, geschehen wird, wenn die Wirtschaftskrise ausgestanden ist und die Konjunktur anzieht.
Das zackige Riesengebirge wird dann scharfe Konturen haben, während es derzeit noch diskret im Nebel des niedrigen Zinsniveaus und einer Nullinflation eingebettet ist. Sobald sich das Wetter dreht, werden hohe Zinsen, Teuerung und nicht mehr finanzierbare Staatsausgaben den Lebensstandard aller senken.
Die Frage "Was dann?" tauchte vergangene Woche kurz, aber eindringlich in der Industriellenvereinigung auf. Die Antwort, die deren Chefökonom Christian Helmenstein hatte, ist eine Handlungsaufforderung an die Politiker, über das aktuelle Krisenmanagement hinaus zu denken. Er unterschied zwischen "expliziter" und "impliziter" Staatsschuldenpolitik. Die explizite sei das, was für jedermann wahrnehmbar betrieben werde, um die Extremsituation der Weltwirtschaft zu bannen. Die Staaten häufen Schulden an beziehungsweise verstaatlichen "faule" Sektoren, was nicht nur mangels Alternativen zulässig sei, sondern eine verborgene Rendite abwerfen könnte.
Mit der Übernahme etwa von Banken bauen die Staaten Assets auf, die sie später auch wieder gut verkaufen könnten. Entstaatlichung werde ein großes Thema werden, freilich erst (so Helmenstein) "Mitte des kommenden Jahrzehnts".
Allerdings würden dann nur gesunde Volkswirtschaften einigermaßen gut aussteigen. Potenzielle Investoren haben nämlich einen unbarmherzigen Blick für den Wert dessen, was der Staat feilbietet, wir erlebten das soeben in der AUA-Tragödie.
Was also tun? Antwort: die impliziten Staatsschulden reduzieren, wo es nur geht. Sie sind Eigenbau. Helmenstein definiert mit diesem Begriff die klassischen Strukturschwächen, die in der Republik Österreich nicht beseitigt wurden, obwohl die Konjunktur gut lief: Staatsreform, Gesundheitsreform, Anpassung des Pensionsalters. So gesehen sind wir also doch wieder bei der berüchtigten Nationalratssitzung, in der Teile der Zukunft verjubelt wurden.
Noch steht Österreich in einigen Schlüsselwerten besser da als Großbritannien oder gar Italien, dessen Standortattraktivität nur noch im Schlussfeld rangiert. Österreich hat in der aktuellen Krise die letzte Chance vorzusorgen, dass sich nach der Krise nicht etwa ein Volk von "Hacklern" und Frühpensionisten die Augen reibt und nicht weiß, was es in der ungewöhnlichen Situation, die große Chancen bietet, anfangen soll.