ÖVP drängt im Windschatten des Terrors auf Beschluss, SPÖ pocht auf Änderungen.
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Wien. Die Terroranschläge von Paris haben in Österreich einen eingefrorenen Konflikt wieder aufgetaut: Am 30. Juni dieses Jahres verabschiedete der Ministerrat den Entwurf für ein Staatsschutzgesetz. "Wir haben in aller Ruhe das neue Polizeiliche Staatsschutzgesetz ausverhandelt und heute beschlossen. Das ist eine sehr komplexe Materie, bei der ein schmaler Grat zwischen der Sicherheit durch Überwachung und dem Schutz der Privatsphäre zu bewältigen war", erklärte Kanzler Werner Faymann damals.
Die Ruhe war nur eine kurze Atempause. Schon im Begutachtungsverfahren liefen Richter, Rechtsanwälte, Datenschützer, Grüne und Neos Sturm gegen das Vorhaben. Seit dem Sommer ruhte das Gesetzespaket im Parlament, mit den Beratungen wurde bis dato noch nicht einmal begonnen, vor allem im SPÖ-Klub ist der Widerstand groß. Als nun am Wochenende ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka auf einen schnellen Beschluss des Gesetzes als Konsequenz aus den Pariser Anschlägen drängte, antwortete SPÖ-Pendant Andreas Schieder prompt mit dem Hinweis, dass er den gesamten Entwurf für ein "schlechtes Gesetz" erachte.
Neun Landesämter undneue Kompetenzen
Worum dreht sich der Streit? Mit dem Entwurf aus dem Haus von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) soll erstmals der Staatsschutz als eigener Aufgabenbereich erfasst werden. Dies soll künftig vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und weiteren neun bei den Landespolizeidirektionen angesiedelten Landesämtern angesiedelt sein. Diese sollen künftig allein für die erweiterte Gefahrenforschung zum Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen sowie die Erstellung entsprechender Bedrohungsanalysen zuständig sein. Die erweiterte Gefahrenforschung war bisher Teil der Aufgabe der rund 28.000 Polizisten im Land.
Schon die Etablierung von neun Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist Kritikern ein Dorn im Auge, noch umstrittener sind jedoch die Kompetenzerweiterungen für die Behörden. Bei verdeckten Observationen, Abhörmaßnahmen sowie der Einholung von Auskünften zu IP-Adressen, Handy-Standortdaten und Reisebewegungen sowie für die erweiterte Gefahrenforschung soll grünes Licht von einem Rechtsschutzbeauftragten des Ministeriums genügen; die erfassten Daten sollen spätestens nach fünf Jahren gelöscht werden. Kritiker pochen darauf, dass solche Entscheidungen einem unabhängigen Richter vorbehalten bleiben müssen.
Der Entwurf sieht weiters vor, dass die Sicherheitsbehörden künftig Vertrauensleute bei verdeckten Ermittlungen zum Einsatz bringen können, und zwar nicht nur zu Abwehr verfassungsgefährdender Bedrohungen, sondern auch im Kampf gegen kriminelle Organisationen. Schließlich ist auch die Verwendung von "body worn cams", also von Körperkameras, vorgesehen, um allfällige Polizeieinsätze besser dokumentieren zu können.
Jetzt wird wohl wieder Leben in die eingeschlafene Debatte um das Staatschutzgesetz einkehren. Die ÖVP drängt auf einen möglichst schnellen Beschluss, die SPÖ will trotz einstimmigen Ministerratsbeschlusses Änderungen ausverhandeln.