Der slowenische Ministerpräsident hat natürlich nicht recht, wenn er glaubt, Hüter des Minderheiten- Artikels 7 zu sein. Unangenehm argumentieren kann er damit aber schon.
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Immer diese lästige Vergangenheit, wie eine Klette haftet sie am österreichischen Selbstverständnis. Vor kurzem positionierte der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor im Gespräch mit dem offenbar verdutzten Bundeskanzler Werner Faymann sein Land als Rechtsnachfolger Jugoslawiens im Zusammenhang mit dem österreichischen Staatsvertrag. Das heimische Außenministerium sowie parteiische Gewährsleute aus FPÖ und BZÖ ließen zwar sofort die Feuerwehr dagegen auffahren, aber es flackert schon.
Die Slowenen sind hartnäckig, wenn sie glauben, es gehe um ihre Rechtsansprüche. Das zeigt auch ihr Grenzstreit mit Kroatien. Somit ist nicht auszuschließen, dass die Frage der slowenischen Minderheit in Kärnten wieder einmal zu einem bilateralen Konflikt hochgefahren wird. Das hat es in jugoslawischen Zeiten öfters gegeben.
Sloweniens Staatspräsident Danilo Türk spricht sich sogar dafür aus, formelle diplomatische Schritte zu unternehmen, um die Wächterrolle seiner Landes über die Einhaltung der Artikels 7 des Staatsvertrages, "Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheit" betreffend, zu verankern.
Die Völkerrechtler im österreichischen Außenministerium haben mit ihrer Argumentation zwar rundum recht. Nicht einmal Jugoslawien war ein Signatarstaat des Staatsvertrages von 1955, sondern hat ihn lediglich mitunterschrieben. Wollte jetzt die Republik Slowenien daraus Rechte ableiten, würde sie international keineswegs auf spontane Zustimmung stoßen.
Jedoch, den Staatsvertrag gibt es, er ist entgegen einer besonders in der ÖVP gepflegten Legendenbildung nie für obsolet erklärt worden. Solches bezog sich lediglich auf "Militärische und Luftfahrtbestimmungen" der Artikel 12 bis 16, welche die Souveränität Österreichs einschränkten. Sie wurden im November 1990 und parallel zur deutschen Einigung, für "obsolet" erklärt - was die vier Signatarmächte schriftlich akzeptierten.
Eine Äußerung Außenminister Alois Mocks aus dem Jahr 1995 kann also nicht so verstanden werden, dass es den Staatsvertrag praktisch nicht mehr gäbe. "Der österreichische Staatsvertrag wird langsam in die Geschichte zurücktreten", sagte er damals. Mock und andere Politiker bemühten sich zugleich, auch die Neutralität aus dem österreichischen Grundverständnis zu löschen, als handle es sich lediglich um ein verblasstes Aquarell.
Österreich ist nach wie vor verpflichtet, den Minderheitenartikel des Staatsvertrags einzuhalten - und auch die darauf beruhenden Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs. Das hat der damalige österreichische Botschafter für Slowenien, Valentin Inzko, im Jahr 2005 auch wörtlich in Laibach bestätigt.
Wenn sich die slowenische Führung neuerdings aufbaut und zum Hüter des Staatsvertrages macht, so überzieht sie zweifellos ihre Kompetenz. Aber was heißt das schon in der bilateralen Polemik? Der Staatsvertrag fährt heraus wie der Geist aus der Flasche. In der Politik können offenbar nicht nur gültige Rechtsnormen wie etwa das Ortstafel-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs kontinuierlich missachtet werden. Es kommt auch vor, dass sich ein ganzer Staatsvertrag, den man schon als zur Ruhe gebettet ausgab, wie ein Untoter zurück meldet.
Es wird also unangenehme Kontroversen geben. Die vernünftigste Art, diese beizulegen, wäre die rechtsmäßige Beendigung des Ortstafelkonflikts in Kärnten, der ja tatsächlich mehr als eine nur nationale Blamage ist. Aber das wissen wir schon seit Jahren.