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Stabilitätspakt bleibt umstritten

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

In Brüssel beraten heute die EU-Finanzminister über eine Revision des Euro-Stabilitätspaktes. Während einige Staaten - wie Deutschland und Frankreich - für eine flexiblere Anwendung des Paktes plädieren, warnt Haushaltskommissarin Michaele Schreyer davor, Zahlungen an den EU-Haushalt aus dem Staatsdefizit des jeweiligen Landes herauszurechnen.


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Einen "tiefen Dissens" gebe es nicht, lediglich "unterschiedliche Empfindlichkeiten". Mit diesen Worten hatte Luxemburgs Premier und der designierte Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, die Vorstellungen der EU-Staaten über eine Reform des Euro-Stabilitätspaktes skizziert. Die Revision könnte bis Sommer 2005 abgeschlossen sein. Eine umfassende Debatte darüber haben die Minister der Euro-Gruppe und der EU-Staaten bei ihren Treffen gestern und heute auf die Tagesordnung gesetzt.

Denn die Meinungen über die Veränderungen beim Stabilitätspakt gehen auseinander. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, bei lang anhaltender Konjunkturflaute eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent zu erlauben. Auch könnte Defizitsündern mehr Zeit für die Wiedereinhaltung des Paktes eingeräumt werden. Andererseits sollte die Überwachung der Gesamtverschuldung in wirtschaftlich guten Zeiten strenger sein. Die Grenzen von 3 Prozent Neuverschuldung und 60 Prozent Gesamtverschuldung bleiben aber äußerst wichtig, betonten die EU-Finanzminister vor wenigen Wochen in einer Erklärung.

Dennoch könnten sich diese Grenzen verschieben, wenn die Vorschläge nach dem Ausklammern bestimmter Ausgabenkategorien aus dem Staatsdefizit berücksichtigt würden. So plädierte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder dafür, nationale Nettozahlungen an den EU-Haushalt bei der Berechnung von Budgetdefiziten herauszuhalten. Dagegen wendet sich EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer. Laut deutschen Zeitungsberichten warnte sie einmal mehr davor, Zahlungen an die EU herauszurechnen. Dies käme einer Heraufsetzung der Defizitgrenze auf 3,5 oder 4 Prozent gleich. Überdies würden dadurch Länder wie Spanien benachteiligt, die von den Finanztransfers in der EU besonders profitieren.

Almunia sieht Reformbedarf

Reformbedarf bei den Regeln des Stabilitätspaktes sieht EU-Währungskommissar Joaquin Almunia, der seine Ideen den Finanzministern präsentieren wird. "Wir sollten sicher denjenigen Ländern, welche die Haushaltsdisziplin nicht einhalten, keinen Freifahrtschein geben", meinte Almunia gestern via "Financial Times". "Wir müssen aber einen glaubwürdigen und besseren Weg finden, zyklische Entwicklungen und Nachhaltigkeitserwägungen zu berücksichtigen." Keine Änderungen solle es allerdings bei den Kernelementen geben, die in EU-Vertrag und Verfassung verankert seien.

Nach einem Vorschlag der Finanzstaatssekretäre der 25 Mitgliedstaaten sollten künftig die ökonomischen Rahmenbedingungen und Reformvorhaben zur Konsolidierung nationaler Finanzen stärker berücksichtigt werden. Wie das "Handelsblatt" meldete, wären beim Defizitkriterium dann mehr Faktoren ausschlaggebend. Bisher kann die Obergrenze von 3 Prozent nur bei einer wirtschaftlichen Rezession verletzt werden.

Für strikte Auslegung

Auch wenn die Hälfte der zwölf Länder der Euro-Zone die Defizitgrenze bereits überschritten oder Probleme mit der Einhaltung hat, befürworten doch einige Staaten eine strikte Auslegung des Stabilitätspaktes, mit möglichst wenigen Änderungen. So sprach sich Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser wiederholt gegen eine "Aufweichung des Paktes" aus. Um diesen nicht weiter zu schwächen, hält er auch ein neues Defizitverfahren gegen Deutschland für unvermeidlich. Dessen Defizit lag in den vergangenen zwei Jahren über der Drei-Prozent-Marke und wird auch heuer darüber sein.

Falsche Zahlen

Die Debatte um den Stabilitätspakt hat nicht zuletzt Griechenland angeheizt. Jahrelang hatte das Land nach Brüssel falsche Defizitzahlen gemeldet. Solche waren auch die Basis für die Entscheidung über den Beitritt Griechenlands zur Eurozone. Dabei habe das an der Wirtschaftsleistung gemessene Staatsdefizit in den ausschlaggebenden Jahren 1998 und 1999 "erheblich über drei Prozent gelegen", hieß es gestern aus Brüssel. Finanzminister George Alogoskoufis bestätigte dies.

Laut griechischen Zeitungen betrug das Defizit in den Jahren 1997 bis 1999 nicht wie angegeben 4,0, dann 2,5 und 1,8 Prozent sondern 6,44, danach 4,13 und schließlich 3,38 Prozent. Die griechische Regierung hatte bereits im September eingeräumt, dass es zu Fehlern bei der Berechnung des Haushaltsdefizits in den Jahren 2000 bis 2003 gekommen war. In einigen Wochen könnte die EU-Kommission über ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen wegen Budgetmanipulation entscheiden.

Britischer Rabatt

Weiteren Diskussionsstoff werden den Finanzministern die Vorschläge für den EU-Haushalt 2007-2013 liefern. Großbritannien hat bereits angekündigt, den "Briten-Rabatt" verteidigen zu wollen. Dieser beträgt jährlich 4,6 Mrd. Euro und soll nach Vorschlägen der Kommission allmählich reduziert werden. Stattdessen sollte allen Nettozahlern ein Teil ihrer Beiträge rückerstattet werden.