Der Scheich von Katar Herrschaft überlässt die Macht freiwillig seinem Sohn.
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Doha. Das hat es am Golf noch nie gegeben. Ein Herrscher dankt freiwillig und zu Lebzeiten ab. Die meisten harrten bis zum Tode aus oder wurden gewaltsam vom Thron gestürzt. Doch der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani, hat während seiner 18-jährigen Regentschaft schon mit vielen Tabus gebrochen. Dass er nun den Sessel frühzeitig für seinen Sohn räumt, ist insofern konsequent. In Zeiten des Umbruchs in der arabischen Welt soll auch Katar wieder Maßstäbe setzen.
"Es ist Zeit für eine neue Generation", begründete der Emir in einer Fernsehansprache seine Rücktrittsentscheidung. Bereits 2003 erhob er seinen zweiten Sohn Tamim aus zweiter Ehe zum Kornprinzen und entmachtete somit seinen ältesten Sohn Jassim. Heute, Mittwoch, sollen Vertreter aller einheimischen katarischen Familien die Möglichkeit erhalten, dem neuen und dem alten Emir noch einmal gemeinsam zu huldigen. Von den knapp zwei Millionen Einwohnern der Halbinsel im Arabischen Golf sind gerade einmal 250.000 Katarer - ein Achtel der Bevölkerung.
Scheich Hamad putschte gegen seinen Vater
Scheich Hamad selbst kam durch einen unblutigen Putsch gegen seinen Vater im Jahre 1995 an die Macht, als der sich auf einer Reise in Übersee befand. Für seinen Coup hatte er sich die Unterstützung des Militärs und der benachbarten Golfstaaten eingeholt, vor allem aus Riad. Mit dem mächtigen Saudi-Arabien unterhält Katar nicht nur eine Landesgrenze, sondern auch enge kulturelle und religiöse Bindungen. Wie beim Nachbarn wird auch in Katar der Wahabismus praktiziert, eine ausgeprägt fundamentalistische Form des sunnitischen Islam. Während die beiden Länder am Anfang der Amtszeit des Emirs zuweilen als Zwillinge galten, den Golfkooperationsrat gemeinsam aufbauten und stärkten, die Arabische Liga dominierten und sich eng in der Außenpolitik absprachen, gingen sie in den Jahren seit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings doch mehr und mehr getrennte Wege. Scheich Hamad setzte sich an die Spitze der Reformer in seinem Land, während die Saudis alles daran setzen, den Status quo beizubehalten, aus Angst ebenfalls der Erschütterung zum Opfer zu fallen. Viele Analytiker sehen darin das Geheimnis, warum Katar bis jetzt nicht auch von Demonstrationen und Unruhen heimgesucht wurde. Ein Aufruf auf Facebook zu einem Protest gegen die absolute Monarchie in Katar im Mai 2011 verpuffte kläglich. Niemand ging hin.
Reichstes Land der Welt und Geburtsort von Al-Jazeera
Doch zunächst bestellte der Emir sein eigenes Haus. In einem Tempo modernisiere er sein kleines Emirat, dass so manchem Untertan schwindelig werde, heißt es aus EU-Kreisen in Doha. Der massige Mann in zumeist weißem Umhang und weißer Kopfbedeckung hat seit dem Putsch gegen seinen Vater sein Land aus der Perlenfischermentalität ins Zeitalter von High-Tech geführt. Gigantische Glashochhäuser prägen heute die Skyline von Doha, wo noch vor 20 Jahren bescheidene Steinbauten standen. Im Norden der Hauptstadt entstand ein komplett neuer Stadtteil. Die "Perle" ist ein riesiges Bauvorhaben, das ins Meer hinausragt und vor allem ausländische Investoren und jede Menge Fremdarbeiter anlockt. Infrastrukturmaßnahmen sind überall sichtbar, ganz Doha ist eine einzige Baustelle. Mit der Konstruktion eines Eisenbahnnetzes ist bereits begonnen worden, eine U-Bahn wird folgen. Die Ölquellen sprudeln und die größte Gasverflüssigungsanlage der Welt in Ras Lafan ist schon zu großen Teilen in Betrieb. Mit 917 Billionen Kubikfuß Gas verfügt Katar über 15 Prozent der gesamten Weltreserven. Davon werden derzeit zwei Millionen täglich gefördert. Bleibt das Niveau erhalten, reichen die Reserven für 300 Jahre. Katars Pro-Kopf-Einkommen ist das höchste der Welt.
Nichts aber scheint Katars Weltruhm so nachhaltig begründet zu haben wie die Geburt des ersten arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera. Mittlerweile von einigen Ländern als ideologisch verbrämt bezeichnet und mit Sendeverbot belegt, ist der TV-Kanal doch zur bahnbrechenden Institution im Mittleren Osten geworden. Immer wieder musste sich der Emir vor seine aus ehemaligen BBC-Mitarbeitern rekrutierte Mannschaft stellen und sie gegen Kritik zumeist aus dem arabischen Lager verteidigen.
Für die zögerliche Berichterstattung über das brutale militärische Engagement der Golfkooperationsstaaten gegen die Protestbewegung im Nachbarkönigreich Bahrain büßte Al-Jazeera jedoch auch im Westen Sympathie ein. Der Widerspruch, mit dem Scheich Hamad als erster und einziger arabischer Herrscher die Rebellen in Libyen gegen Machthaber Gaddafi direkt militärisch unterstützte, im Nachbarland die Proteste jedoch blutig niederschlagen ließ, konnte der 61-Jährige bis jetzt nicht auflösen. Vielleicht wird es seinem 33-jährigen Sohn gelingen.