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Bulgarien hat den Zustrom von Asylwerbern drastisch reduziert.
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Sofia. Als Bulgariens Innenministerin Rumiana Batschvarova vor einigen Tagen ihre österreichische Amtskollegin zur Besichtigung der bulgarisch-türkischen Grenzanlagen führte, zeigte sich Johanna Mikl-Leitner beeindruckt. "Bulgarien bewacht die EU-Außengrenze sehr professionell. Ich bin überzeugt, hätte Bulgarien nicht seinen Grenzzaun zur Türkei errichtet, wäre der große Flüchtlingsstrom nicht über Griechenland, sondern über Bulgarien gegangen", lobte die Ministerin.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International teilen diese positive Einschätzung des bulgarischen Grenzregimes nicht. Sie haben wiederholt dagegen protestiert, bulgarische Grenzbeamte drängten Flüchtlinge gewaltsam auf türkisches Territorium zurück. Auch der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muiznieks, hat diese der UN-Menschenrechtskonvention zuwiderlaufende Praxis kritisiert.
Bulgarien wird nun, da auch andernorts die Balken hinuntergehen, immer wieder als Ausweichroute für Flüchtlinge genannt. Der Grenzzaun erstreckt sich bisher lediglich über einen Bruchteil der bulgarisch-türkischen Grenze. Zwar hat die rechtsgerichtete Regierung von Boiko Borissov seinen Weiterbau beschlossen, dieser ist bisher aber kaum fortgeschritten. Die EU könne Bulgarien die Fertigstellung finanzieren, äußerte der Premier vor Kurzem.
Bei vielen Bulgaren ist die Erinnerung an den Herbst 2013 noch wach, als das Balkanland Ziel eines starken Zustrom meist syrischer Flüchtlinge wurde. Damals schockierten Fernsehaufnahmen von unmenschlichen Zuständen in überfüllten bulgarischen Flüchtlingslagern die Weltöffentlichkeit. Heute ist die Situation eine andere; während tausende Flüchtlinge in Griechenland und Mazedonien gestrandet sind, befanden sich zum 10. März 2016 lediglich 758 Menschen in den bulgarischen Flüchtlingslagern.
Berichte über den niedrigen Lebensstandard in Bulgarien und gewaltsame Übergriffe durch die Grenzbeamten dürften viele Flüchtlinge dazu veranlasst haben, den Landweg über Bulgarien zu meiden. Die niedrige Belegung seiner Flüchtlingslager hat Bulgarien ganz offensichtlich aber auch durch eine Änderung seiner Asylpraxis erreicht. Daten der staatlichen Flüchtlingsagentur zeigen, dass sich die Quote abgebrochener Asylverfahren seit 2013 von 12 auf 84 Prozent versiebenfacht hat. Von den heuer im Jänner und Februar 3160 begonnen Verfahren wurden 2649 abgebrochen, weil sich die Antragssteller dem Abschluss des Verfahrens entzogen und vermutlich auf den Weg in Richtung Serbien gemacht haben. "Wir haben keine geschlossenen, sondern offene Flüchtlingslager und können nicht verhindern, dass Flüchtlinge diese verlassen", erklärte die staatliche Flüchtlingsagentur.
Anwohner des größten Sofioter Flüchtlingslagers Ovtscha Kuppel warnten indes vor einigen Wochen, Menschenschlepper transportierten Flüchtlinge unter den Augen der Polizei aus dem Lager ab. "Das Innenministerium gehört in Bulgarien zu den bedeutenden Menschenschleppern", kommentierte der frühere Verteidigungsminister Nikolai Tsonev.