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Stadt der Äcker

Von Michael Schmid

Politik

Noch ist Wien nicht nur eine Stadt am Strome und des Domes, sondern auch eine Stadt der Äcker. Doch so manches befindet sich im Umbruch. Ein Grund, nachzufragen, wie viel Landwirtschaft Wien haben soll.


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Wer am Marchfeldkanal entlang spaziert, könnte meinen, auf dem Land zu sein. Langgestreckte Äcker, Feldraine, Gemüseparzellen prägen das Bild. Am Horizont ist der Stammersdorfer Kirchturm zu sehen. Etwas weiter westlich die Weinhänge des Bisambergs. All das ist Teil einer Millionenstadt. 14 Prozent der Gesamtfläche Wiens von 41.487 Hektar werden landwirtschaftlich genutzt (5.700 Hektar). Bei manchen Gemüsesorten wie Gurken oder Melanzani bringt Wien den Großteil der heimischen Ernte ein und Wiener Wein ist sogar in New York gefragt.

Die Agrarwirtschaft ist wichtig für Wien. Es gibt daher eine eigene Landwirtschaftkammer und ein Wiener Landwirtschaftskammergesetz. Dieses wird nun novelliert. Worum geht es? Manche Gesetzespassagen erscheinen nicht mehr zeitgemäß und sollen adaptiert werden. So war bis dato weder Briefwahl möglich, noch konnten GmbH-Geschäftsführer oder -Geschäftsführerinnen wählen. Wer beispielsweise Wein anbaut, für andere keltert, einen Heurigen betreibt und vielleicht noch Delikatessen vermarkten will, ist mit einer GmbH besser bedient als mit traditionell bäuerlicher Struktur. Auch bei Betriebsübernahmen kann die Kapitalgesellschaft nützlich sein.

Missbrauch befürchtet

Trotzdem sind nicht alle froh mit der vorliegenden Novelle. Grüne Bauern sowie die Rathausgrünen fürchten Missbrauch bei der Briefwahl mit Übergabe durch Boten und verweisen auf Manipulationsfälle bei Landwirtschaftskammerwahlen in der Steiermark und Oberösterreich. Auch das sehr großzügige Familienwahlrecht, von den Großeltern bis hin zu etwaigen Wahlkindern, halten die Grünen für demokratiepolitisch bedenklich. So könnte ein Betriebsinhaber mit einem ganzen Packerl von Stimmzetteln seiner erweiterten Familie bei der Wahl aufkreuzen. Das entspräche nicht dem Verfassungsgrundsatz des persönlichen, freien und geheimen Wahlrechts. Stattdessen wünschen sich die Grünen Bauern, dass das aktuelle Verzeichnis der Wahlberechtigten kostenlos online eingesehen werden kann und man sich den Weg zur Behörde spart. Außerdem sollten - wie in Oberösterreich - Ersatzmitglieder in Ausschüsse nominiert werden können. Das würde die Expertise kleiner Fraktionen erweitern. Noch sind die Ökos nicht in der Wiener Kammer vertreten. Neun Stimmen fehlten ihnen bei der Wahl 2018 zum Einzug. Somit teilen sich die 20 Mandate zwischen Bauernbund und SPÖ-Bauern auf, wobei die ÖVP-Bauern mit 17 Sitzen eine klare Mehrheit besitzen. Daher gibt es auch keine Unterschiede zwischen offizieller Kammermeinung und derjenigen des Bauernbundes. Mit der Novellierung sind beide rundum zufrieden. Von den Rathausparteien schließen sich ÖVP, SPÖ und Neos dieser Ansicht an, wobei die Neos Pflichtmitgliedschaften in Kammern grundsätzlich ablehnen.

Doch wie halten es die Stadtparteien ganz allgemein mit der Wiener Landwirtschaft? Vorweg: Feldfrüchte, Gemüse, Obst und Wein aus Wien, aber auch neue Produkte wie Pilze, stoßen auf breite Zustimmung (nur die FPÖ wollte keine Stellungnahme abgeben). Vor allem die kurzen Wege von den lokalen Produzentinnen und Produzenten in die Küchen der Wienerinnen und Wiener beurteilen die Parteien positiv. Die SPÖ betont zudem die ökonomische Bedeutung der Wiener Landwirtschaft.

Gefahr des Schrumpfens

Etwas anders sieht es bei der Erhaltung der bestehenden landwirtschaftlichen Areale aus. Neos und ÖVP verweisen auf den "Agrarstrukturellen Entwicklungsplan (Agstep)", demzufolge die Landwirtschaftsfläche um mehr als 1100 Hektar auf rund 11 Prozent schrumpfen könnte. Die Rathaus-SPÖ indes möchte die bestehenden 5700 Hektar für die Landwirtschaft uneingeschränkt erhalten. Da ergibt sich allerdings eine gewisse innerparteiliche Diskrepanz. Denn die SPÖ Floridsdorf will die besonders wertvollen Böden im Donaufeld möglichst bald zubauen. Die Wiener Zeitung hat berichtet. Ganz konsequent sind hingegen die Grünen. Für sie darf kein Ackerboden mehr verloren gehen. Ähnlich strikt ist die Ökopartei auch bei der Frage der Bioproduktion. Die Zukunft der Wiener Landwirtschaft liege ausschließlich auf der Bioschiene. Die übrigen Parteien sind da etwas großzügiger. Sie wollen Bio zwar forcieren, sehen jedoch auch Platz für konventionellen Anbau.

Für Markus Sandbichler vom Prentlhof in Unterlaa ist die Sache klar: "In der Großstadt kann nur Bioqualität der Standard sein." Der Prentlhof ist für seine Nudeln und Öle (Kürbis, Sonnenblume) bekannt. Die rund 700 Hühner liefern täglich frische Bio-Eier. Sandbichler wünscht sich von der Stadt Wien zusätzliche Anbauflächen für Familienbetriebe. Mit Problemen bei der Expansion hat auch Michael Edlmoser, hochdekorierter Biowinzer und Heurigenwirt aus Mauer zu tun. Seit über 600 Jahren gibt es die Edlmosers. Seit Generationen wird die Kunst des Weinmachens in der Familie weitergegeben. Das soll fortgeführt werden. Dazu braucht es die passenden Rahmenbedingungen. Ganz wichtig für Edlmoser, dass die Politik nötige Ausweitungen solcher Traditionsbetriebe ermöglicht. Denn nicht alles lässt sich heutzutage in historischen Gemäuern machen. Doch "mitunter zählen die Befindlichkeiten der Anrainer weit mehr als der Bauer", so Edlmoser. Er wünscht sich daher von der Politik ein offenes Ohr und aktive Unterstützung, damit auch künftig in Wien hohe Qualitäten in den passenden Mengen produziert werden können. Seinem ebenfalls mehrfach prämierten Winzerkollegen Peter Bernreiter am anderen Ende der Stadt macht die Behinderung der Diversifizierung in seinen Rieden am Bisamberg zu schaffen. Manchmal täte ein vorübergehender Wechsel ganz gut. Erdäpfel und Wein würden einander gut ergänzen, meint Bernreiter. Doch das sei jetzt nicht möglich.

Weinberg als Funpark

Auch der mangelnde Respekt mancher Ausflügler, die den Weinberg als Funpark betrachten, erschwert die Arbeit. Mit ähnlichen Problemen hat die Biobäuerin Margarete Prohaska aus der Leopoldau zu kämpfen. Natursuchende latschen durch ihre Felder oder verparken ihr die Zufahrten zum Acker. Margarete Prohaska kultiviert eine breite Vielfalt an Feldfrüchten. Vom Gemüse über Getreide und Erdäpfel bis zu Hülsenfrüchten und Kräutern. Die Nachfrage ist gut. Prohaska würde gern expandieren, doch es sei sehr schwierig, in Wien passende Felder dazuzupachten. Zudem sind gute Lagermöglichkeiten rar und teuer. Dafür hat sie eine Idee: Ein gemeindeeigenes Kühlhaus, in dem bäuerliche Betriebe günstig Lagerkapazitäten anmieten können. Damit es weiterhin eine große Vielfalt an lokalen Gemüse in Wien gibt.