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SPÖ und ÖVP schneiden Wahlkampf auf ihre regionalen Interessen hin zu.
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Jeder zweite Wähler ist noch völlig unentschlossen. SPÖ und ÖVP liegen in den Umfragen relativ eng beisammen - mit leichtem Vorteil für die SPÖ. Das politische Angebot steigt: schon jetzt sind sechs Parteien im Nationalrat vertreten. Neben SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen, BZÖ und Team Stronach treten noch Neos, KPÖ und Piraten österreichweit an.
Beobachter halten eine Fortsetzung der bestehenden rot-schwarzen Koalition auch nach dem 29. September für die wahrscheinlichste Variante. Tatsächlich signalisieren Umfragen, dass SPÖ und ÖVP gemeinsam erneut die 50-Prozent-Marke überspringen.
Das wird allerdings nur gelingen, wenn beide ehemaligen Großparteien ihre Stammwähler zu mobilisieren verstehen. Für die SPÖ heißt das, im linken Wien, Österreichs einziger wirklicher Großstadt, ein starkes Ergebnis einzufahren. Die ÖVP muss dagegen in ihren Kernländern Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark zur Nummer eins aufsteigen, will sie die Chance auf den Kanzler einlösen.
Diese regionalen Prioritäten spiegeln sich natürlich auch in der Wahlkampfdramaturgie der beiden zu Mittelparteien geschrumpften Bewegungen wider: Die SPÖ hat ihre Kandidatenliste und das Wahlprogramm in Wien absegnen lassen. Und auch der offizielle Wahlkampfauftakt am 29. August wird bei einer Großveranstaltung in der Bundeshauptstadt inszeniert. Die ÖVP ihrerseits zieht es - ebenfalls am 29. August - nach Schladming in der Steiermark. Und erst kürzlich lud Spitzenkandidat Michael Spindelegger Journalisten nach Oberösterreich zum Wandern. Ausgerechnet der Niederösterreicher Spindelegger muss schaffen, woran der Oberösterreicher Wilhelm Molterer 2008 kläglich scheiterte: der SPÖ Platz eins bei Bundeswahlen im Land ob der Enns zu entreißen.
Auch die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen von Rot und Schwarz entsprechen den unterschiedlichen regionalen Interessen. Die Partei von Bundeskanzler Werner Faymann pocht auf Arbeitsplätze, leistbares Wohnen und höhere Steuern für Reiche - allesamt Themen, die im politisch eher links tickenden Wien gut ankommen. Man holt sich den "Beitrag von denen, die haben", wie es Bundeskanzler Werner Faymann ausdrückte. Damit kann man sogar noch bis hinein in den Mittelstand punkten, Neiddebatten ziehen immer.
Die bürgerliche ÖVP warnt dagegen vor den Steuerplänen der SPÖ, die - so interpretiert es die Volkspartei - auch Eigenheimbesitzer treffen würden. Gut möglich, dass sich so bürgerliches Potenzial ob und unter der Enns sowie hinter dem Semmering mobilisieren lässt. Das Argument mit dem Neid als mächtigster Triebfeder zieht natürlich auch hier.
Und natürlich versuchen beide Regierungsparteien mit allen Mitteln, die veröffentlichte Meinung auf ihre Seite zu ziehen. Studien sind dafür bekanntlich ein probates Mittel. Allerdings mit Fallstricken, wenn die Zahlen nicht allzu belastbar sind.
So behauptet etwa das Finanzministerium, dass seit 2008 durch Absiedelung von Headquarters aus Österreich 70.000 Arbeitsplätze verloren gegangen seien - die "Wiener Zeitung" berichtete und widerlegte die Zahlen als erste. Nun geht sogar ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner auf Distanz. Der Standort sei gut aufgestellt, das Papier aus Maria Fekters Ministerium decke sich nicht mit seinen Erfahrungen, sagte er am Mittwoch. Umgekehrt werden Zweifel an einer von der Arbeiterkammer gesponserten Studie zur Vermögensverteilung laut, die ausschließlich auf Schätzungen beruht . . . Es ist eben Wahlkampf.