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Vor 100 Jahren wurde der Städtebund gegründet - die Herausforderungen haben sich gewandelt, sagt Generalsekretär Weninger.
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Wien. Vor 100 Jahren trafen sich die Vertreter von 58 Städten aus den deutschsprachigen Teilen der Monarchie in Wien, um gemeinsam Maßnahmen gegen die schlechte Versorgungslage während des Ersten Weltkriegs zu treffen. Schon davor, bereits ab dem Jahr 1887, waren regelmäßig Städtetage abgehalten worden, um gemeinsame Anliegen, vor allem auf finanzieller Ebene, zu beraten. Am 24. September 1915 wurde der Österreichische Städtebund als Einrichtung mit einem ständigen Büro gegründet.
Heuer, hundert Jahre später, feiert der Städtebund sein Jubiläum. Die Zahl der Mitglieder war nach 1918 deutlich geschrumpft, heute vertritt er die Interessen von 246 Städten und größeren Gemeinden - Mitglied sind neben Wien und den Landeshauptstädten praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern. Präsident des Städtebunds ist Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Einmal im Jahr findet der dreitägige Städtetag, das wichtigste Gremium der Organisation, statt.
Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich mittlerweile in den Ballungsräumen. Die Aufgaben der Verantwortlichen einer Stadt haben sich in den vergangenen hundert Jahren gewandelt. Um die Jahrhundertwende stand vor allem die Schaffung von technischer Infrastruktur im Vordergrund. Infrastruktur zur Wasser- und Energieversorgung wurde ausgebaut. "Heute geht es angesichts der wirtschaftspolitischen Großwetterlage einerseits schlicht und einfach um die Bestandsicherung, andererseits aber auch um den Ausbau vor allem sozialer Infrastruktur", sagt der Generalsekretär des Städtebundes, Thomas Weninger, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Denn der Zuzug in Österreichs Städte hält ungebrochen an. Die größten Zuwachsraten wird es in den nächsten Jahren in Wien, Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck sowie dem städtischen Raum im Rheintal geben. In etwa 15 Jahren wird die Einwohnerzahl Wiens die Zwei-Millionen-Marke überschreiten. Zuletzt war das im Jahr 1910 der Fall.
Stadt und Land verbinden
"Städte wachsen. Dieser Zuzug ist im Wesentlichen in der Lebensqualität begründet und in den Bildungs- und Jobmöglichkeiten, vor allem auch für Frauen", sagt Weninger. Umso wichtiger sei die Verbindung zwischen städtischem und ländlichem Raum. "Die Lebensstile verbinden sich ja schon lange, es gibt Trachtenbälle in Wien und urbane Lebensstile im Waldviertel." Entsprechend müsse man auch die Infrastruktur über die Stadtgrenze hinausdenken. "Wir haben es geschafft, den Begriff Metropolregion zu etablieren, denn eine Stadt hört ja nicht an den Stadtgrenzen auf."
Beispiel dafür ist die Schaffung der Seestadt Aspern und die Verbindung durch die U-Bahn Linie U2. Neben dem Ausbau und der Verzahnung des öffentlichen Verkehrs sowie der Schaffung von leistbarem Wohnraum gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Stadt die Kinderbetreuung und die Bildung sowie der Gesundheitsbereich. "Zunehmend wichtig ist der Bildungsbereich, vom Kindergarten hin zur Errichtung von modernen Schulen, die den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht werden", sagt Weninger. Mit der Errichtung von Campusmodellen sei Wien Vorbild für andere Städte. "Ein neu hinzugekommener Bereich ist die Pflege. Generationenübergreifendes Wohnen war zum Beispiel vor 20 Jahren noch kein Thema."
Sozialer Wohnbau begann in Wien bereits in der Zwischenkriegszeit. Während des Nationalsozialismus kam das Aus für den Städtebund, er wurde zum "Bund Österreichischer Städte und Großgemeinden" umgestaltet. Nach Kriegsende kam es im März 1946 zu seiner Neugründung. In der Nachkriegszeit stand der Wiederaufbau im Vordergrund. Wohnraum musste geschaffen und die soziale Infrastruktur, wie Kindergärten und ärztliche Betreuung, musste ausgebaut werden.
"Historisch betrachtet ist zu den Aufgaben der Stadt der ganze soziale infrastrukturelle Komplex dazugekommen, die ‚Hardware‘ - also Wasserversorgung, Entsorgung und Energieversorgung ist im Zuge der Industrialisierung passiert." Das stelle die zwei großen Herausforderungen dar - der Erhalt der technischen und sozialen Infrastruktur und deren Weiterentwicklung.
Durch die Wirtschaftskrise und den Stabilitätspakt könne man jedoch "de facto nicht mehr investieren", meint Weninger. Der deutsche Städtebund schätze den Investitionsrückstau auf 120 Milliarden Euro. In Österreich sei die Infrastruktur zwar besser als beim deutschen Nachbarn, aber "sechs Milliarden Euro wären schon gut angelegt in der städtischer Infrastruktur".
Verteilung nach Aufgaben
Eine der wichtigsten Aufgaben des Städtebundes ist die Vertretung der Interessen der Städte und Gemeinden bei den Verhandlungen über den Finanzausgleich, also die Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Außerdem gibt er Stellungnahmen zu Gesetzen ab und bietet einen Rahmen für den Austausch zwischen den Mitgliedern. Die Verhandlungen zum Finanzausgleich sollen unmittelbar nach der Steuerreform starten.
Seit Jahren fordert der Städtebund eine aufgabenorientierte Reform des Finanzausgleichs. Städte, die zentralörtliche Funktionen, also Aufgaben für das Umland, wie Schulen oder Kindergärten, übernehmen, sollen mehr Mittel erhalten. "Das, was die Stadt leistet, soll sie auch über den Finanzausgleich finanziert bekommen", fordert Weninger.
"Derzeit gibt es leider ein System der Umverteilung von den Großen zu den Kleinen. Am Ende hat die Kleingemeinde genauso viel Mittel pro Kopf zur Verfügung wie die Landehauptstadt, nur hat diese mehr Aufgaben als eine 2000-Einwohner-Gemeinde." Die Chancen auf eine Reform will er nicht beurteilen. "Zumindest die Überschrift ist da", meint Weninger.