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Die Unterschiede bei der Kaufkraft zwischen urbanen und ländlichen Gebieten werden immer geringer.
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Wien. "Der Speckgürtel ist ein C geworden." Wolfgang Richter, Geschäftsführer von Regiodata, beschreibt so die Entwicklung der vergangenen Jahre im Wiener Umland. Nicht nur, dass die Gemeinden rund um die Hauptstadt rein nominell wachsen, nimmt auch die Kaufkraft zu. "Traditionell waren es der Süden und Wesen Wiens, in die Wohlhabende gezogen sind, Orte wie Gießhübel oder Brunn am Gebirge, in der Zwischenzeit erweitert sich das aber im Uhrzeigersinn und geht schon jenseits der Donau", erklärt Richter. Deshalb eben das C.
Seit 25 Jahren wertet Regiodata, das sich auf regionale Wirtschaftsdaten spezialisiert hat, die Kaufkraft in Österreich und Europa aus. Im Langzeitvergleich zeigen sich dabei zwei stabile Entwicklungen. Zum einen, dass eben die Umlandgemeinden von Städten deutlich an Kaufkraft gewinnen, dass aber auch die "Unterschiede zwischen Städten und der ländlichen Peripherie geringer werden", wie Richter sagt. Was nicht zuletzt auch daran liege, dass die Kaufkraft in der Stadt real sinke.
Zwar hat auch Wien einen Zuwachs an Kaufkraft verzeichnet, allerdings nur um nominell 1,6 Prozent, was unterhalb der Inflation lag. Diese lag im Vorjahr bei zwei Prozent und fraß damit auch landesweit den schmalen Zugewinn der Kaufkraft auf. Allerdings konnten sich einige Bundesländer deutlicher steigen, so etwa Niederösterreich und Salzburg, die Wien vom ersten Platz verdrängten. "In der Stadt gibt es oft Zuzug von kaufkraftschwächeren Menschen, vor allem aus dem Ausland", sagt Richter.
Nun ist Niederösterreich mit seinen fast 20.000 Quadratkilometern kein wirklich homogenes Bundesland, und so zeigen sich auch recht deutliche Kaufkraftunterschiede, etwa zwischen dem Wald- und dem Industrieviertel. Doch Richter sagt auch: "Auch ganz periphere Gebiete holen allmählich auf, ganz langsam zwar, aber doch. Die Spreizung zwischen wohlhabenden und ärmeren Regionen wird langfristig kleiner." So war der Unterschied im Jahr 1990 zwischen dem reichsten und ärmsten Bundesland noch bei 37 Prozent, mittlerweile liegt bei unter zehn Prozent.
"Irgendwann kann niemand mehr abwandern"
Dass Österreich hinsichtlich der Kaufkraft (Sozialtransfers eingerechnet) homogener wird, ist nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der ländlichen Entwicklung von Bedeutung. Nicht wenige rurale Gemeinden sind seit Jahren von Abwanderung und deren Folgen betroffen. Gibt’s weniger Einwohner, braucht es auch weniger Geschäfte und Schulen. Das geringere Angebot lässt dann aber noch mehr abwandern und wirft zugleich die Frage auf, wie sich Österreich die Zersiedelung auch in Zukunft leisten kann.
"Was das Raumstrukturelle betrifft, ist die Phase des Rückzugs aus den kleinen Ortschaften schon längst passiert", sagt Richter. "Es gibt keine Bank, keinen Arzt, nicht einmal mehr einen Schlecker, und sogar die Kirche sperrt zu. Diese Umstrukturierung ist weitgehend abgeschlossen, irgendwann kann niemand mehr abwandern."
Was das Einkommen der Menschen betrifft, hat Regiodata vielmehr vage Signale wahrgenommen, "dass es nun in eine andere Richtung geht". Noch seien die Zahlen nicht relevant, kaum spürbar, sagt Richter. "Aber für den peripheren Raum schaut es gar nicht so schlecht aus."
Der Strukturwandel hat eben kein Ende, er vollzieht sich immerfort. Die Industrie mag aus manchen Regionen weitgehend verschwunden sein, dafür gibt es jetzt dank Internet andere Möglichkeiten, ebenso im Logistikbereich, wie Richter erzählt.
Dass der Dienstleistungssektor in Österreich generell bedeutsam ist, habe in der Vergangenheit geholfen, den Wohlstand zu halten. Seit vielen Jahren befindet sich Österreich unter den zehn kaufkraftstärksten Ländern. "In Deutschland ist der Primärsektor deutlich größer und entsprechend auch der Druck, die Produktion ins Ausland zu verlagern, wo es billiger ist", sagt Richter. Langfristig gesehen sei deshalb auch der Tourismus ein Stabilitätsfaktor. Tiroler Berge lassen sich eben nicht nach China verlegen.
Die touristisch geprägten Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg finden sich auch untern den zehn europäischen Regionen mit der niedrigsten Arbeitslosenrate in der EU. Am niedrigsten war die Rate im Vorjahr in Oberbayern mit 2,6 Prozent laut Eurostat, dahinter rangieren aber gleichauf Salzburg und das deutsche Freiburg mit 2,9 Prozent. Tirol kommt dann mit Tübingen ex aequo auf Rang vier (3,0), Vorarlberg folgt mit 3,2 Prozent.
Bei der Arbeitslosenquote zeigt sich eine Entwicklung, die sich eben auch bei der Kaufkraft widerspiegelt. Von 5,3 Prozent im Jahr 1995 liegt die Quote nach EU-Berechnung nun bei 8,4 Prozent.