Neue grüne Planungsstadträtin will strengere Regeln für Hochhäuser. | Komet-Turm muss niedriger werden, U1 fährt 2015 nicht bis Rothneusiedl. | "Lernen, dass alles nicht so schnell geht." | "Wiener Zeitung": Wie fühlt es sich denn an, in Wien mitzuregieren?
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Maria Vassilakou: Spannend!
Aber?
Aber nix. Und spannend.
Was war der positivste Moment in 100 Tagen Rot-Grün?
Es gab so viele. Für mich war jeder einer, wo ich ein großes Anliegen, das ich seit vielen Jahre verfolge, auf den Weg bringen konnte. Wie die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße, die Fahrradstraßen, die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.
Gab es auch Dinge, die Ihnen missfallen haben?
Das Interesse an meiner Privatsphäre.
Wer hat folgenden Satz gesagt: "Das Schöne ist, so eine Regierungsbeteiligung ist ein Lernprogramm. Man kommt drauf, dass man früher einen Blödsinn geredet hat." War es Jörg Haider oder Christoph Chorherr? (lacht) Keine Ahnung. Der, der es gesagt hat, muss nicht unbedingt ein Grüner gewesen sein, aber er hatte Recht!
Es war Ihr Gemeinderat Chorherr. Worauf meine Frage abzielt: Nicht wenige befürchten, dass die Grünen à la longue mit ihrer Basis und ihren Werten Probleme bekommen. In der Tat ist ein Kuschelkurs in einigen Bereichen nicht zu leugnen.
Natürlich glaube ich, dass Regieren ein Lernprozess ist. Man kommt relativ bald drauf, dass die Frage nicht unbedingt lautet, was machbar ist, sondern in welchem Tempo Dinge machbar sind. Das ist sehr wertvoll. Ich mache mir keine Sorgen, dass die Grünen jemals aus den Augen verlieren werden, was sie wollten. Ich mache mir auch überhaupt keine Sorgen wegen der Basis. Denn es regiert nicht nur Maria Vassilakou als Vizebürgermeisterin, sondern es regieren alle grünen Gemeinde- und Bezirksräte mit.
"Blödsinn geredet" bezieht sich also aufs Tempo?
So ist es. Aber auch was die Schuldigen betrifft, die man in der Opposition schnell zu benennen weiß. Da kommt man hinterher drauf, dass es immer wieder mal andere Unwegsamkeiten und Rahmenbedingungen gibt. Aber Hindernisse sind dazu da, weggeschafft zu werden.
Sie sind auch Stadträtin für Bürgerbeteiligung: Hier müssen die Grünen künftig die Quadratur des Kreises schaffen, also bei strittigen Projekten die Planungsagenden und die Bürgerinitiativen gleichermaßen zu vertreten - und haben dabei die SPÖ und die Baulobby im Nacken. Wie soll das gehen?
Es geht nur mit Dialog. Es heißt nicht, dass man jedes Mal Everybodys Darling sein wird. Es geht darum, nicht von oben herab in die Gespräche zu gehen, sondern den Weg gemeinsam zu gehen.
Sie haben der SPÖ im Wahlkampf mehr oder weniger unverhohlen unterstellt, als Gegenleistung für Widmungen Parteispenden genommen zu haben. Wurde den Grünen schon was offeriert?
Nein.
Was wäre wenn?
Würden wir natürlich nicht nehmen. Aber ich bin zu 1000 Prozent sicher, dass wir nie eine angeboten bekommen werden.
Ihr Modell einer Planwertabgabe verfolgt ja ein ähnliches Ziel, mit dem großen Unterschied, dass die Allgemeinheit profitieren soll. Bestes Beispiel ist der Millennium-Tower: Der Besitzer hat zig-Millionen beim Verkauf verdient, für U-Bahn-Anbindung und Straßen haben aber nur die Wiener bezahlt.
Generell muss bei Bauvorhaben ein Teil der Rendite für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Damit notwendige Infrastruktur geschaffen werden kann - neben Verkehrsanbindung geht es da um Schulen, Kindergärten und Parks. Ich möchte dafür klare rechtliche Grundlagen.
Ginge es da um prozentuelle Abschöpfungen?
Wir schauen uns derzeit die unterschiedlichen Modelle an. Ich verweise auf München, wo das seit mehr als 20 Jahren mit großem Erfolg praktiziert wird. Dort werden auf diese Weise alle nötigen Infrastrukturmaßnahmen zu 100 Prozent finanziert.
Bleiben wir in München. Dort gab es vor Jahren einen Volksentscheid gegen Hochhäuser. Soll Wien innerhalb des Gürtels Turm-frei sein?
Diese Frage ist nicht so einfach beantwortbar. Die Wiener Altstadt ist Weltkulturerbe, deshalb ist es an vielen Stellen gar nicht zulässig, Hochhäuser zu errichten. Sie sollen nur dort gebaut werden, wo sie städtebaulich Sinn machen: Also wo eine Stadtkante gebildet wird, wo es um ein neues Wahrzeichen für ein Viertel geht oder wo ein Cluster anhand bestimmter Kriterien entsteht. Was ich definitiv nicht will, ist ein Wien, wo Hochhäuser wie verkehrte Karotten einsam in die Landschaft wachsen, weil ein Investor drängt oder lobbyiert.
Genau das ist aber unter Ihrem Vorgänger passiert - nämlich Single-Türme auf Investoren-Wunsch. Etwas, das in US-Städten undenkbar wäre, denn dort gibt es klare Ausschlusszonen.
Zur Ehrenrettung meines Vorgängers muss ich sagen, dass die Entwicklung auf teilweise nicht nachvollziehbaren Standorten weiter zurückgeht. Ein Hochhaus ist keine religiöse Angelegenheit. Aber wo die Eignung gegeben ist, dafür muss es klare und transparente Kriterien geben. Das bestehende Hochhauskonzept der Stadt muss daher weiterentwickelt und verbindlich eingehalten werden.
Ein Punkt, der immer wieder kritisiert wird, ist, dass der Öffentlichkeit der Ausblick von oben verwehrt bleibt.
Genau darauf ist künftig im Hochhauskonzept das Augenmerk zu legen. Bisher ist der Zugang zum Ausblick ja nur eine Empfehlung der Stadt.
Die Unesco macht wegen Schönbrunn Druck und verlangt eine Reduktion des Komet-Turms von 73 auf 60 Meter. Sehen Sie da eine Chance, einzuschreiten?
Da gibt es eine laufende Diskussion.
Was ist Ihr Ziel?
Dass die Bestimmungen der Unesco eingehalten werden. Noch ist aber kein Machtwort von mir nötig.
Sie haben zuletzt angekündigt, den Schwerpunkt auf die Verdichtung im städtischen Raum zu legen statt auf neue Stadterweiterungsgebiete. Das würde bedeuten, dass Aspern und Rothneusiedl warten müssen.
Das heißt nicht keine neuen Stadtviertel, sondern zunächst die innerstädtischen Potenziale ausreizen. Nicht, weil ich etwas gegen Aspern hätte, es braucht auch neue Viertel, die etwa nach den modernsten Verkehrs-, Energie- und Städtebaustandards entstehen. Aber Stadtentwicklung auf der grünen Wiese schmerzt. Zusätzlich bedeutet das Wachstum an den Rändern Suburbanisation - was viel mehr Kosten für die Infrastruktur verursacht.
Zu Rothneusiedl: Wird die U1 bis 2015 dorthin verlängert oder nicht?
Die U1 wird dorthin verlängert, wenn etwas dort ist. Aber sicher nicht in die grüne Wiese.
Dort wird 2015 nichts sein!
Ja, dann wird 2015 auch keine U-Bahn hingeführt werden. Die U-Bahn ist wie ein Jumbo-Jet: Es macht keinen Sinn, alle fünf Minuten einen Flieger ins Nichts starten zu lassen. Der Bau muss also zeitlich abgestimmt werden mit der dortigen Entwicklung.
Dann kommt vorerst eine Kurz-Verlängerung der U1?
Das ist derzeit in Diskussion. Eine von mehreren Möglichkeiten ist, bis auf Höhe der Hansson-Siedlung zu bauen und erst später weiter zu verlängern.
Werden Sie am neuen Hauptbahnhof noch Änderungen vornehmen. Wenn ja, wo?
Ich habe immer kritisiert, dass die Kubaturen dort zu dicht sind - aber dafür ist der Zug abgefahren. Was noch getan werden muss, ist das Augenmerk auf die Erdgeschoßzonen und die Qualität des öffentlichen Raums zu legen.
Noch hat man Sie nicht aus Inseraten in Boulevardblättern lachen sehen. Warum?
Weil ich Inserate nicht zum Zweck der Selbstbejubelung einsetze, sondern als Mittel zur Information - im Rahmen einer Kampagne, die einem bestimmten Anliegen dient.
Im Wahlkampf mussten Sie die Erfahrung machen, vom durch Stadt-Inserate finanzierten Boulevard gnadenlos niedergeschrieben zu werden. Wäre es nicht eine dringliche Aufgabe, hier etwas zu ändern?
Dass die Kriterien für Kampagnen streng und transparent sein müssen, liegt für mich auf der Hand. Das hat insgesamt zu gelten, es geht schließlich um Steuergeld.
Eine Abstimmung soll es beim Lobau-Tunnel geben. Sie haben vor Jahren bei mir im Interview gesagt, dass es das Projekt mit den Grünen in der Regierung nicht geben wird. Demnach müssten Sie bei einem "Ja" aus der Regierung treten.
Wenn es im Rahmen einer Volksbefragung ein "Ja" geben sollte, dann müssen wir das akzeptieren. Es würde unseren Grundsätzen widersprechen, ein Plebiszit, das uns nicht schmeckt, zu ignorieren.
Woran wird sich der Erfolg von Rot-Grün messen? Auch am Wahlergebnis der FPÖ anno 2015?
Es wird sich primär am grünen Wahlergebnis messen. Aber ein Abwärtstrend der FPÖ wäre ein Zeichen für mehr Vertrauen in die Politik - was bedeuten würde, dass Rot-Grün es richtig gemacht hat.
Maria Vassilakou (42) ist seit November Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Verkehr, Stadtplanung und Klimaschutz. Die gebürtige Athenerin war von 2004 bis 2010 Klubchefin der Grünen im Wiener Gemeinderat.