Zum Hauptinhalt springen

Stadtchefs wollen in EU das Sagen haben

Von Christian Rösner und Bernd Vasari

Politik

Vertreter 20 europäischer Hauptstädte haben sich in Wien getroffen, um "Wiener Deklaration" zu verabschieden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die europäischen Städte wollen mehr Mitspracherecht in der EU. Darüber sind sich alle Bürgermeister innerhalb der EU einig. Um das zu konkretisieren, haben sich am Dienstag in Wien rund 20 Vertreter europäischer Hauptstädte getroffen, um die "Wiener Deklaration" zu verabschieden. Das Ziel: die städtische Dimension in alle relevanten Entscheidungsprozesse der EU zu verankern. "Immerhin leben 70 Prozent der Europäer in Städten oder im Umfeld von Städten", erklärte Gastgeber Bürgermeister Michael Häupl.

So fordern etwa die Hauptstädte, dass mehr Expertengruppen aus ihrem Bereich in der EU-Kommission vertreten sind. Politisch gewählte Städte-Vertreter sollten zudem ein Rederecht im EU-Parlament bekommen, um sich mehr Gehör verschaffen zu können. Gefordert wird etwa auch, dass künftig die Bevölkerungsdichte als Verteilungskriterium für EU-Ressourcen herangezogen werden soll - wobei diese Idee von den größeren westeuropäischen Ländern weniger unterstützt werde als von den östlicheren, wie etwa Estland, Lettland, Litauen oder Warschau.

Mehr Spielraum für Städte

Und was den finanziellen Handlungsspielraum der Städte betrifft, so wünscht man sich flexiblere Regelungen, um öffentliche Investitionen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Gemeint ist hier die Möglichkeit, nachhaltige Investitionen - etwa im Bereich Bildung, Forschung, aber auch öffentlicher Verkehr oder Gesundheit - aus der Verschuldung herausrechnen zu dürfen. "Es geht darum, dass man den Städten definierter Weise einen größeren Spielraum beim Aufnehmen von Fremdmittel erlaubt", erklärte Häupl der "Wiener Zeitung."

Auf alle Fälle würden künftig andere Abrechnungsmodelle für öffentliche Haushalte zur Anwendung kommen, versicherte Häupl. Abrechnungsmodelle, die etwa Abschreibungen über längere Perioden ermöglichen würden. Dafür bedarf es allerdings einer Änderung des Maastricht-Abkommens. Und ob sich das bis 2016 - das Jahr, ab dem laut EU keine Neuverschuldung mehr stattfinden darf - noch ausgehen wird, konnte der Bürgermeister nicht sagen. "Ich nehme es aber 2017 oder 2018 auch noch", witzelte er.

Generell handle es sich bei der Deklaration um einen Weg der kleinen Schritte. Alleine die Selbstorganisation der Bürgermeister sei eine bemerkenswerte Leistung, so Häupl. Was die Mitsprache im EU-Parlament betrifft, so wäre etwa der Ausschuss der Regionen für Häupl ein taugliches Gremium, um die Städte zu vertreten. Vorstellbar wäre für ihn ein Vetorecht, wie er das auch schon für den heimischen Finanzausgleich vorgeschlagen hatte.

Region statt Hauptstadt

Tatsache ist, dass die Städte künftig viele Probleme zu lösen haben - und die sind überall dieselben, was etwa die Themen Wohnen, Mobilität, Migration und Jugendarbeitslosigkeit anbelangt.

Der sozialdemokratische Amsterdamer Bürgermeister Eberhard van der Laan wünscht sich deswegen auch mehr Kooperationen zwischen den Städten. Der Erfolg von Amsterdam soll auch der Erfolg von Den Haag oder Rotterdam sein, sagt der Bürgermeister. Wenn etwa ein Tourist nach Amsterdam kommt und ein Museum besucht, sollte das Ticket auch für Museen in Den Haag oder Rotterdam gültig sein. Auch die Öffi-Fahrscheine könnten für andere Städte und die Verbindungen dazwischen gelten. Die Städte-Kooperationen kann er sich auch länderübergreifend vorstellen. Für Eindhoven, das an der deutschen Grenze liegt, sei es sinnvoll, mit Aachen in Deutschland zusammenzuarbeiten und gemeinsame Konzepte zu entwickeln.

Die Stellung der Hauptstadt in einem Staat hält er hingegen für veraltet. Man müsse sich als Region begreifen. Wenn sich Amsterdam und Rotterdam als Rivalen begreifen würden, dann wäre das Selbstmord. Stattdessen profitiere man voneinander. Amsterdam vom internationalen Hafen in Rotterdam und Rotterdam von den Touristen in Amsterdam.

Partnerschaften hält die holländische Hauptstadt mit London, Paris und Berlin. Neuerdings auch mit Athen. Die griechische Stadt ist in großen Schwierigkeiten und brauche Hilfe, sagt van der Laan. Amsterdam wolle seinen Beitrag leisten, damit die Stadt wieder auf die Beine kommt. Vielleicht sei es ja in 100 Jahren umgekehrt und Amsterdam ist auf die Hilfe von Athen angewiesen, so van der Laan.