Österreich erhält derzeit 380 Millionen aus Regionalfonds. | Städte bisher bei Förderungen massiv benachteiligt. | Konferenz "Stadt Macht Europa" am Montag in Wien. | Wien. Ein EU-Regionalkommissar, der aus der Stadtpolitik kommt, hat so seine Vorteile finanzieller Natur. Dessen ist sich zumindest der österreichische Städtebund sicher.
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Aber der Reihe nach: Österreich erhält in der laufenden EU-Förderperiode (2007 bis 2013) insgesamt 680 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (Efre). Damit liegt das Land zwar bei weitem nicht im Spitzenfeld, was die Höhe der Fördermittel betrifft. Allerdings ist die Republik im Vergleich der 27 EU-Staaten sehr wohl top, wenn es um die Ausschöpfung der Mittel geht.
Wie so oft gibt es aber einen Haken: Bisher lukrieren hauptsächlich ländliche Gegenden - etwa das vielzitierte Burgenland - Gelder aus dem Regionalfonds, die Ballungsräume haben kaum Möglichkeiten, an diese Mittel heranzukommen. Zwar habe sich die Kommission in der aktuellen Förderperiode eine Einbindung aller Ebenen in die Vergabe der Regionalfördermittel gewünscht, dies sei aber de facto nicht passiert, erklärt Alexandra Schantl vom Zentrum für Verwaltungsforschung der "Wiener Zeitung". In Deutschland etwa seien die Städte besser, aber auch nicht in ausreichendem Maße eingebunden. Zwar gebe es immer wieder vereinzelte Projekte, von denen auch die Städte profitierten, "es gibt aber ein eindeutiges Missverhältnis zwischen der Bedeutung der Städte und ihrer Förderung durch die EU", sagt die Expertin.
Einzig Wien erhielt Mittel aus dem Regionalfonds, da die Hauptstadt gleichzeitig ein Bundesland ist. Konkret bekam die Stadt für die Jahre von 2007 bis 2013 mehr als 25 Millionen Euro von der EU. Damit wurden unter anderem Projekte wie die Revitalisierung der alten Stadtbahnbögen unter der U-Bahnlinie U6 oder die Mingo-Büros ("Move in and grow"), kleine, flexible Büros für Start-Up-Unternehmen, finanziert.
Städtebund und Häupl loben die Kommission
Die einseitige Förderung des ländlichen Raumes soll sich nun aber ändern: Die Europäische Kommission hat Mitte November in ihrem fünften Kohäsionsbericht (siehe "Wissen") die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der Städte hervorgehoben. Demnach sollen die Ballungsräume im Förderungszeitraum ab 2014 stärker von Mitteln aus dem Regionalfonds profitieren können.
Am Montag findet unter dem Motto "Stadt Macht Europa" eine Konferenz zu diesem Thema in Wien statt, bei der auch EU-Regionalkommissar Johannes Hahn anwesend sein wird. Im Vorfeld der Veranstaltung begrüßte der Städtebund die Absichten der Kommission: "Hahn, der aus der Stadtpolitik kommt, hat einen anderen Zugang zu dem Thema", sagte Saskia Sautner vom Städtebund zur "Wiener Zeitung".
Und der Städtebund-Präsident, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, erklärte: "Es hat noch keinen EU-Kohäsionsbericht gegeben, in dem der städtischen Dimension so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde wie jetzt." Es freue ihn, "dass die Städte direkt in die Überlegungen zur Neuausrichtung der EU-Kohäsionspolitik einbezogen werden. Städte sind Laboratorien des Fortschritts, eine gezielte Förderung von urbanen Projekten im Sinne der Kohäsionspolitik ist daher sinnvoll und effizient."
Forderungspapier an Johannes Hahn
Im Rahmen der Veranstaltung wird Häupl dem Kommissar ein Papier mit den konkreten Forderungen der Städte übergeben.
Unter anderem wollen diese, dass eigene Kapitel zur städtischen Dimension in die relevanten EU-Dokumente aufgenommen werden. Außerdem sollen die Städte verpflichtend in die Planung der Mittelvergabe aus dem Regionalfonds einbezogen werden. Ein Mindestanteil von 25 Prozent der Förderungen aus dem Strukturfonds soll ab 2014 für Maßnahmen im Bereich der Stadtentwicklung reserviert sein.
Höhere Wertschöpfung in Ballungsräumen
Die Städte untermauern ihre Forderungen auch mit konkreten Zahlen: Laut einer Wifo-Studie aus dem Jahr 2009 ("Erste Analyse der Wirkungen der EU-Regionalpolitik in Österreich") hätten Förderungen für Städte nämlich eine größere Wertschöpfung zur Folge als Mittel, die in den ländlichen Raum investiert werden. Demnach fand 25 Prozent der gesamten vom Regionalfonds in Österreich ausgelösten Wertschöpfung in Wien statt, obwohl in der Bundeshauptstadt lediglich drei Prozent der österreichischen Efre-Mittel eingesetzt wurden.
In seinem Monatsbericht im Juni 2010 komme das Wifo außerdem zu dem Schluss, dass sich "Zahlungen aus Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik signifikant negativ auf das Wirtschaftswachstum und den Strukturwandel auswirken", so der Städtebund in einer Aussendung.
Bis zum 31. Jänner können nun Stellungnahmen zu dem Kommissionpapier abgegeben werden. Bis zum Sommer 2011 will die Kommission - wenn der EU-Haushalt steht - formelle Vorschläge für Rechtsvorschriften zur künftigen Kohäsionspolitik vorlegen.
Wissen: Kohäsionspolitik
(kats) Mit Kohäsionspolitik ist im Wesentlichen der Zusammenhalt zwischen einzelnen Staaten und Regionen gemeint. Die Europäische Union will in diesem Zusammenhang vor allem regionale wirtschaftliche Entwicklungsunterschiede ausgleichen.
Verteilt werden die Mittel dafür über den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung. Laut Bundeskanzleramt stehen für den Förderungszeitraum 2007 bis 2013 EU-weit 347 Milliarden Euro zur Verfügung, die Kohäsionspolitik ist damit nach der Agrarpolitik der zweitgrößte Budgetbereich der EU.
82 Prozent dieser Mittel werden zur Förderung der am wenigsten entwickelten Regionen eingesetzt. Voraussetzung für eine Förderung aus dem Regionalfonds ist eine 50-prozentige Kofinanzierung durch die jeweilige öffentliche Hand.
Die Konferenz "Stadt Macht Europa" ist öffentlich zugänglich. Sie findet am 29. November von 9 bis 17 Uhr im Haus der Europäischen Union in Wien statt.