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Städtische vor Coup in der Ukraine

Von Sissi Eigruber

Wirtschaft

Expansion: Zwei mögliche Übernahmekandidaten. | Finanzierung: Keine weitere Kapitalerhöhung nötig. | AUA: Beteiligungsaufruf an heimische Unternehmen. | "Wiener Zeitung":In den vergangenen Wochen wurden in Russland fünf Menschen Opfer von Auftragsmorden. Unter ihnen der Vizechef der Zentralbank und eine regimekritische Journalistin. - Wie fühlt man sich da als Investor in Russland?


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Günter Geyer: Natürlich ist es nicht angenehm, über solche Ereignisse zu lesen. Ich will sie keinesfalls nicht bagatellisieren, aber es gibt durchaus auch unangenehme Ereignisse in westlichen Ländern.

Es versetzt Sie also nicht in Angst und Schrecken?

Es versetzt mich weder in Angst noch in Schrecken. Wir gehen davon aus, dass sich nicht nur die Wirtschaft in Russland stetig nach oben entwickelt sondern auch davon, dass sich die politische Entwicklung im Laufe der Zeit dem westlichen Demokratieverständnis annähert.

Wie ist das Geschäft in Russland angelaufen?

Wir haben die Lizenz zum Verkauf von Lebensversicherungen Anfang August bekommen und sind jetzt dabei die Mitarbeiter auf unsere Produkte einzuschulen.

Wie ist es Ihnen bei der Abwicklung des Joint Ventures von der Vienna Insurance Group mit der Moskauer Versicherung ergangen?

Äußerst schnell, äußerst unbürokratisch. Wir haben das erste Mal im Juni 2005 darüber gesprochen und ein Jahr später haben wir mit dem Verkauf über diese Gesellschaft begonnen. Bisher haben wir ausschließlich positive Eindrücke.

Inwieweit wird das Versicherungsgeschäft durch die politischen Turbulenzen in den zentral- und osteuropäischen Ländern beeinflusst? Der Regierungswechsel inklusive Privatisierungsstopp in der Slowakei, der Zerfall und die Wiedergeburt der Koalition in Polen, ...?

Wir haben bisher in keinem dieser Länder irgendwelche negativen Auswirkungen zu spüren bekommen und es liegen uns auch keine Informationen über Vorhaben vor, die uns negativ beeinflussen könnten.

Sie haben weitere Expansionsvorhaben für Ungarn und die Ukraine angekündigt ...

Wir würden in Ungarn gerne etwas zukaufen, aber derzeit ist nichts Geeignetes auf dem Markt. Daher wachsen wir aus eigener Kraft weiter.

Was wäre für einen Zukauf geeignet?

In Ungarn ist der Markt an und für sich vergeben. Alle großen Versicherungen sind dort. Ein mittlerer Versicherer würde gut zu uns passen, aber dazu muss einerseits Verkaufsbereitschaft bestehen und andererseits der Preis stimmen.

Das heißt, die Frage ist, ob jemand von den anderen großen Versicherungen etwas in Ungarn verkauft?

Verkauft, sich zurückzieht oder eine andere Strategie fährt. So, wie es zum Beispiel die Axa gemacht hat.

Auch in Ungarn geht es momentan turbulent zu. Inwieweit wird Sie der zur Sanierung des ungarischen Staatshaushaltes geplante Sparplan betreffen?

Wir glauben nicht, dass es unmittelbare Auswirkungen auf den Versicherungsbedarf haben wird. Eher auf der Kostenseite, weil ja Steuern angehoben werden. Eine indirekte Beeinflussung ist also zu erwarten.

Was die politische Entwicklung betrifft - Demonstrationen im Rahmen einer Demokratie - nehme ich an, dass sich das wieder beruhigen wird.

Gibt es mögliche Kaufobjekte in der Ukraine?

Wir analysieren derzeit zwei Unternehmen und überlegen, die Ukraine zu einem unserer Kernmärkte zu erklären, wo wir innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre unter die ersten fünf kommen wollen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie eines der beiden Unternehmen kaufen werden und wann?

Fünfzig, fünfzig, würde ich sagen. Der Kauf könnte nächstes Jahr über die Bühne gehen.

Werden Sie dann mit den 200 Mio. Euro, die noch von der letzten Kapitalerhöhung übrig sind, auskommen?

Wir haben schon mehr Geld zur Verfügung! Neben diesen 200 Mio. Euro sicher noch einige weitere hundert Millionen.

Könnte für Akquisitionen eine weitere Kapitalerhöhung nötig sein?

Aus jetziger Sicht gibt es in nächster Zeit keinen Bedarf für eine Kapitalerhöhung.

Die Vienna Insurance Group ist bisher in 17 Staaten vertreten. Werden noch weitere Länder dazu kommen?

Vielleicht gehen wir auch einmal in die Türkei. Das schließe ich nicht aus. Aber da haben wir derzeit keine aktuellen Absichten.

Wie geht die Zusammenführung der Gesellschaften in Osteuropa voran?

In Bulgarien werden wir die Fusion von Bulstrad und Bulgarski Imoti in den nächsten Wochen konkretisieren. Dann sind wir die Nummer Zwei ambulgarischen Markt. Nummer Eins ist die DZI.

Unsere Hausaufgabe ist jetzt das Back-Office. In der österreichischen Gruppe sind vier Gesellschaften. Alles, was der Kunde nicht sieht, macht dieselbe Mannschaft, was dazu geführt hat, dass wir auf der Kostenseite sehr niedrig liegen. Diese Strategie werden wir auch in Osteuropa fortsetzten - bei Beibehaltung einer Mehrmarkenstrategie. Das haben wir in der Slowakei abgeschlossen, das ist in Tschechien im Gange und das machen wir auch in Rumänien, Kroatien und Polen.

Die Erste Bank hat vergangene Woche den Kauf der rumänischen Großbank BCR abgeschlossen. Wird die Vienna Insurance Group die Versicherungstöchter der BCR übernehmen?

Die Erste Bank ist gerade erst Mehrheitseigentümer geworden und ich wäre nicht überrascht, wenn sie uns in den nächsten Wochen zu Gesprächen einladen würde.

Lassen Sie uns damit nach Österreich kommen. Sie haben angekündigt, dass die Wiener Städtische bei der geplanten 350-Millionen-Kapitalerhöhung der AUA über ihren Anteil hinaus mitziehen will ...

Wir sind Mitglied des Syndikats (ÖIAG, Wiener Städtische, Raiffeisen, Bawag halten über 50 Prozent an der AUA, Anm.). Die Kapitalerhöhung ist ein notwendiger Schritt. Wir haben gehört, die Bawag will nicht zur Gänze mittun und wir haben signalisiert, wir würden Anteile der Bawag übernehmen.

Weshalb dieses Engagement für die AUA?

Ich sehe die AUA nicht nur als österreichische Fluglinie, sondern auch als wesentlichen Faktor im Wirtschaftsraum, nicht zuletzt auch für den Tourismus. Daher sollen wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen gesetzt werden, um die Zukunft zu sichern.

Die Wiener Städtische hält derzeit 1,5 Prozent an der AUA, mit einem Teil der Bawag-Aufstockung kämen Sie auf 2 Prozent. Wieviel würden Sie noch aufstocken, wenn es die Möglichkeit auf mehr gäbe?

Das ist nicht aktuell. Außer der Bawag haben alle Syndikatsteilnehmer signalisiert, dass sie voll mitziehen wollen. Und ich würde es sehr, sehr wünschenswert finden, wenn das auch andere österreichische Unternehmen tun würden.

Jene, die im Syndikat drinnen sind, oder andere?

Ich meine das ganz generell, auch außerhalb des Syndikats. Es gibt ja gut gehende Unternehmen in Österreich, die auch veranlagen, und wenn da einige was zeichnen würden, wäre das sicher nicht schlecht.

All jene, die aus der Loge zusehen, sollten sich überlegen welche wirtschaftlichen Auswirkungen es hat, wenn es die AUA in der Form nicht mehr gibt, und der Flughafen Schwechat nicht mehr der Schaltraum für bedeutende Zubringer ist; speziell für Osteuropa.

Der AUA geht es nun schon seit Jahren schlecht. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die AUA das Ruder herumreißen kann?

Neben den hohen Energiepreisen gibt es bei der AUA auch historisch gewachsene Probleme: Verschiedene Flugzeugtypen - ich glaube nicht, dass das die Wartung und die damit verbundenen Kosten vereinfacht - und verschiedene Kollektivverträge. Das gehört neu strukturiert, dann hat sie, so glaube ich, bessere Chancen.

Was hielten Sie von einem Einstieg des Landes Niederösterreich oder Wien bei der AUA?

Besser wären österreichische Firmen. Ein Engagement der Politik in Unternehmen würde ich nur subsidiär sehen.

Sie haben kürzlich im Rahmen des Versicherungsverbandes einen Wunschzettel an die neue Regierung deponiert, was die Rahmenbedingungen für Versicherungen betrifft. Wie sieht denn Ihr personeller Wunschzettel für die Regierung aus?

Ich bin nicht in der Politik. Zu personellen Dingen will ich mich daher nicht äußern.