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Stafettenwechsel im journalistischen Borderlining

Von Engelbert Washietl

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"Österreich" läuft der "Krone" den Rang in negativer Auffälligkeit ab. Jetzt klagt sie den Presserat. Ziel: keine Kritik mehr an "Österreich".


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Wäre der Österreichische Presserat ein Wirtschaftsunternehmen, könnte man ihn mit dem Attribut "high performance" bedenken. Den handelnden Personen ist es gelungen, Anfangsschwierigkeiten innerhalb kurzer Zeit zu überwinden und das Selbstkontrollgremium in die vorgesehene Rolle eines öffentlichen Mahners und Wegweisers hineinwachsen zu lassen.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".

Nicht allen ist das angenehm. In der Liste der vom Presserat behandelten 115 Fälle scheint die auflagenstarke Boulevardzeitung "Österreich" 13-mal auf, fünfmal wurde sie negativ bewertet. Der Presserat rügte die Zeitung, weil sie mehrfach den über den Tod hinaus geltenden Persönlichkeitsschutz verletzte. Das betraf das Foto der Leiche des Natascha-Kampusch-Entführers Wolfgang P., das Bild eines durch Suizid ums Leben gekommenen jungen Mannes, wobei gleich auch das Abschieds-SMS und private Details veröffentlicht wurden; ferner die ins Internet gestellte Dia-Show über das Begräbnis des achtjährigen Buben, der von seinem Vater in einer St. Pöltner Volksschule erschossen worden war, auf einem "Live-Ticker" sowie ein Schulfoto eines getöteten Jugendlichen. Die zuletzt genannte Rüge traf auch die Gratiszeitung "Heute".

Der Presserat sieht in solchen Fällen unerlaubte Eingriffe in die Intimsphäre und die Würde des Verstorbenen und warnt vor der Publizierung von Details von Suiziden, wobei zu Recht auch auf die Gefahr der Nachahmung hingewiesen wird.

Die Zeitung "Österreich" hat mit den vom Presserat gerügten Fällen eindeutiger Übertretung von ethischen Normen offenbar schon mehr Mahnungen eingeheimst als die "Kronen Zeitung". Diese hatte im "alten Presserat" am häufigsten Anlass zu Beschwerden über journalistisches Borderlining gegeben, was letztlich auch dazu beitrug, dass der Presserat 2001 zerstört wurde. Als Mitglied des Zeitungsverbandes VÖZ trägt sie den Presserat jetzt mit, auch wenn sie sich noch nicht seiner Entscheidungskompetenz unterwirft.

Anders "Österreich". Diese Zeitung hat den Presserat nie anerkannt und ärgert sich jetzt gerichtlich darüber, dass dieses Gremium ihre Berichterstattung beurteilt. Denn der Presserat entscheide in "pseudostaatlichen Rechteanmaßungen" in nicht gerechtfertigter Weise über Nichtmitglieder. Die eingebrachte Klage stützt sich auf das Wettbewerbsrecht und landet deshalb beim Handelsgericht. Dieses soll jetzt einen medienrechtlichen Präzedenzfall behandeln:

Ist in Österreich eine freiwillige journalistische Selbstkontrolle, die selbstverständlich eine öffentliche Diskussion erfordert, möglich oder nicht? Ginge die Zeitung "Österreich" von einem konstruktiven Ansatz aus, könnte sie beim Presserat einfach mitmachten und sich über ihre eigene Leistung und auch die der Konkurrenzblätter auseinandersetzen. Sie arbeitet aber offenbar darauf hin, sich medienethisch unantastbar und nahezu sakrosankt zu machen. Wirtschaftlicher Wettbewerb steht gegen die für die Demokratie wichtige Sicherung von medienethischen Mindeststandards.