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Stammgäste in Europas Wartezimmer

Von Martyna Czarnowska

Politik

Beim EU-Westbalkan-Gipfel wird nicht über die Erweiterung der Union, sondern über Infrastrukturprojekte gesprochen.


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Sofia/Wien. Es war recht feierlich in Porto Karras. In der Hotelanlage auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki, südlich von Thessaloniki, trafen einander knapp zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs aus EU- und südosteuropäischen Ländern. Es gab ein Gruppenbild mit einem Yachthafen im Hintergrund, eine Gipfelerklärung und vor allem ein Versprechen. Festgeschrieben wurde in dem Schlussdokument die "ungeteilte Unterstützung" der EU für die "europäische Perspektive" für die Länder des westlichen Balkan. Die Vertreter der fünf Staaten - Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Serbien-Montenegro - vernahmen dies zwar gern. Doch eine klarere Aussicht auf einen EU-Beitritt wäre ihnen lieber gewesen.

Das war 2003. Und es war bis heute das einzige Gipfeltreffen zu dem Thema, die bisher einzige Zusammenkunft auf höchster Regierungsebene. Auf die nächste mussten die Länder Südosteuropas fünfzehn Jahre warten. Erst die Bulgaren, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben, haben wieder einen EU-Westbalkan-Gipfel ausgerichtet. Dieser geht am morgigen Donnerstag in Sofia über die Bühne.

Geopolitisches Bild in der Region verändert

Die Erwartungen daran sind allerdings nicht so hoch gesteckt wie vor fünfzehn Jahren. Denn auch die Aufbruchstimmung von damals hat einen Dämpfer erhalten. In der Zwischenzeit hat sich ebenfalls das geopolitische Bild in der Region verändert: Kroatien ist mittlerweile der Europäischen Union beigetreten, Montenegro und der Kosovo haben sich von Serbien gelöst, Mazedonien müht sich mehr denn je, den Namensstreit mit Griechenland zu lösen. Einige Zwistigkeiten in der Region hat dies aufgelöst, andere verschärft.

Auf der anderen Seite ist in der EU nicht unbedingt viel Enthusiasmus für eine Erweiterung der Gemeinschaft spürbar. Nach der Aufnahme zehn ost- und südeuropäischer Staaten 2004 und dem EU-Beitritt Bulgariens sowie Rumäniens zweieinhalb Jahre später folgten heftige Debatten darüber, ob die neuen Mitglieder nicht zu schnell, da zu unvorbereitet zu solchen geworden sind.

Daher verstrichen weitere Jahre, bis die EU-Kommission einen möglichen Termin für die nächste Erweiterungsrunde nannte: 2025. Fix ist das aber keineswegs. Es hängt nicht zuletzt von den Fortschritten der Kandidatenländer ab. Zu diesen zählen vier der sechs Staaten: Albanien, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Nur mit den letzten beiden führt die EU derzeit Verhandlungen um einen Beitritt zur Union.

Dass sich an dieser Situation unmittelbar nach dem Gipfel viel ändert, ist unwahrscheinlich. Bosnien-Herzegowina bleibt ein politisch und wirtschaftlich fragiler Staat mit stark zersplitterter Struktur. Und der Kosovo wird nicht nur von Serbien in seiner Unabhängigkeit nicht anerkannt, sondern auch von fünf EU-Ländern: Spanien, Griechenland, Rumänien, Zypern und der Slowakei.

Zank um Status des Kosovo wirft Schatten auf Treffen

Das sorgte im Vorfeld der Zusammenkunft in der bulgarischen Hauptstadt denn auch für Zank. Madrid, das sich mit separatistischen Tendenzen in Katalonien müht, wollte klarmachen, dass der Status des Kosovo keineswegs unumstritten ist. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat daher angekündigt, sich beim Gipfel vertreten zu lassen. Und EU-Diplomaten überlegten, wie eine Blockade der Schlusserklärung zu verhindern wäre. Die Idee war, von Westbalkan-Partnern statt -Ländern zu sprechen.

Auf die Feierlichkeit der Veranstaltung, die die Bulgaren gerne hätten, wirft das einen Schatten. Ebenso wie die Tatsache, dass der Schwung, den die EU-Kommission zu Jahresanfang dem Erweiterungsprozess verleihen wollte, abgeschwächt ist. "Der Schaden ist damit schon teilweise angerichtet", kommentiert Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP). Positiv sei aber, dass die Kommission in Sofia konkrete Projekte vorstellen will, etwa zur Stärkung von Verkehrs- und Energienetzwerken.

Außerdem könnte das Treffen für Albanien und Mazedonien einen wichtigen Schritt darstellen. Tirana möchte schon bald Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen. Und Skopje liegt viel daran, zu einer Einigung mit Athen über den Namen Mazedoniens zu gelangen. Diesen lehnt Griechenland bisher mit dem Hinweis auf eine gleichnamige griechische Region ab. Eine Lösung des Zwists könnte in Sofia näherrücken.