)
Der Europäischen Kommission sind Regulierungen bei den freien Berufen ein Dorn im Auge. Wettbewerbskommissar Mario Monti will das Standesrecht in den EU-Staaten überprüfen und gegebenenfalls reformieren. Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), kann Montis Vorstellungen nichts abgewinnen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Alles nahm seinen Anfang mit einer IHS-Studie. Ergebnis: Gerade in Österreich seien die Berufsstände der Rechtsanwälte, Notare oder Apotheker überreguliert - es gebe Zugangsbeschränkungen, Preisvorgaben und Werbeverbote. Grund genug für den obersten Wettbewerbshüter, eine Liberalisierung zu fordern. Bis Mai dieses Jahres haben die genannten Berufsgruppen Zeit, ihre Berufsregeln zu evaluieren. Dann will Monti die nationalen Wettbewerbsbehörden einschalten.
ÖRAK-Chef Benn-Ibler sieht keinen Änderungsbedarf beim Standesrecht. Für ihn ist bereits das Ergebnis des IHS-Gutachtens zweifelhaft: "Es ist in relevanten Bereichen kursorisch und entspricht zum Teil nicht den Tatsachen." Insgesamt seien die Gutachter nicht zum Kern des Standesrechts vorgedrungen. Schon jetzt könne nämlich aufgrund der Dienstleistungs-, Diplom-anrechnungs- und Niederlassungsrichtlinie praktisch jeder europäische Anwalt in Österreich arbeiten: "Österreichische Anwälte haben vollen Zugang zum europäischen Rechtsmarkt - europäische vollen Zugang bei uns", meint Benn-Ibler zur "Wiener Zeitung". Auch den Vorwurf, die Tarife seien reguliert, kann er nicht nachvollziehen: "Mindestpreise gibt es nicht." Und das Werbeverbot sei seit 1999 Geschichte.
Eine Verkürzung der - im europäischen Vergleich langen - Ausbildung zum Anwalt sei laut Benn-Ibler ebenfalls nicht anzuraten. Es gelte die hohe Qualität der heimischen Advokatur zu sichern: "Ein Anwalt hat kein Schaufenster - er hat einen Ruf."
Mit der grenzüberschreitenden Berufsausübung befasst sich auch die 32. Präsidentenkonferenz der europäischen Anwaltschaft. 250 Teilnehmer aus 29 Ländern werden zur Konferenz, die vom 19 bis zum 21. Februar in Wien stattfindet, erwartet.