Endstation der Autobuslinie 48: Baumgartner Höhe. Hier liegt das "Pulmologische Zentrum", seit kurzem "Sozialmedizinisches Zentrum - Otto-Wagner-Spital" genannt. Auf der Tagesstation "Wienerwald" herrscht reger Betrieb. Vielfältige medizinische Betreuung geht hier Hand in Hand mit Menschlichkeit. Ein Krankenpfleger spricht einem jungen HIV-Patienten Mut zu, eine Krankenschwester hält die Hand eines Tumorpatienten und tröstet ihn.
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Die Lungenheilstätte kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Diese hängt eng mit dem Psychiatrischen Krankenhaus "Baumgartner Höhe", im Volksmund auch "der Steinhof" genannt, zusammen, das bereits in der Monarchie errichtet wurde.
TBC-Heilstätte
Weil aber die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen nach dem Ersten Weltkrieg ungeahnte Dimensionen annahm, wurde ein Teil des riesigen Areals zu einer Lungenheilstätte umfunktioniert. Vorerst lediglich für Frauen und Kinder; erst später auch für Männer.
"Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf die Gemeinde Wien daraus das Zentrale Lungenkrankenhaus Wiens. Zu Beginn waren es drei, später wurden es zwei Pulmologische Abteilungen, die Anfang der Achtziger Jahre neue Aufgaben übernahmen", erläutert Primar Norbert Vetter.
Höhere Lebenserwartung
Diese neue Aufgaben ergaben sich vor allem durch das Aufkommen der HIV-Infektionen. "Diese Infektion äußerte sich in zwei Erkrankungen: DerHauttumor, der zunächst im AKH behandelt wurde, und eigenartige Lungenentzündungen, die wiederum wir therapieren", erläutert Vetter.
"Aufgrund der Abnahme der Hautveränderungen in den letzten Jahren verlagerte sich die Versorgung der Aids-Patienten hauptsächlich in unser Spital. Mittels moderner Therapie hat sich die Lebenserwartung und -Qualität erheblich gebessert. Führte diese Krankheit früher innerhalb weniger Monate zum Tod, verläuft sie derzeit über Jahrzehnte"; so Vetter.
Asthma
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung von Asthma-Patienten. "So können nächtliche Sauerstoffmangel-Attacken zu Schlaganfall und Herzinfarkt führen. Diese Menschen brauchen unbedingt Sauerstoffzufuhr. In Wien besteht leider ein Betreuungsdefezit, was Patienten mit solch einer obstruktiven Schlafapnoe betrifft. Es bedarf einer Ausweitung der Bettenanzahl, um den ganzen Bedarf decken zu können," kritisiert der engagierte Primar.
Die onkologischen Abteilungen wiederum nehmen sich der Tumorpatienten an. "Nach einer bronchoskopischen Untersuchung wird die Krankheit und deren Stadium abgeklärt. Wir wollen unsere Patienten nicht lange Zeit im Ungewissen lassen und geben ihnen bereits wenige Tage später das Untersuchungsergebnis bekannt. Es wird dabei auch die Therapie, über die letztlich der Patient entscheidet, besprochen," verrät Heinrich Haber, der selbst jährlich etwa 600 Bronchoskopien durchführt. Die Therapieformen inkludieren Operationen sowie chemo- oder strahlentherapeutische Behandlungen.
Wie verhalten sich nun Menschen, die von ihrer Krebserkrankung, die vielleicht sogar ihr Todesurteil bedeutet, erfahren? "Die meisten sind gefasst, nur wenige reagieren aggressiv," so Haber. Eine andere Möglichkeit der Reaktion ist die Hyperaktivität: Ein Patient, der Schmuckhändler war, hat bis wenige Tage vor seinem Ableben seine Ware seinen Leidensgenossen zum Kauf angeboten.
Ausgerechnet was Krebserkrankungen betrifft, weiß Manfred Gartner, Stationsarzt auf der "Pulmo" über "hausinterne" Tragödien zu berichten: "So verrichtete eine sehr engagierte Krankenschwester viele Jahre auf einer onkologischen Station ihren Dienst, ehe sie selbst an Lungenkrebs erkrankte und erst kürzlich verschied. Einer unserer Krankenpfleger musste mitansehen, wie seine Mutter auf einer unsererer Stationen einem schweren Asthma-Leiden erlag. Der Ehemann einer Spitalsangestellten wiederum starb an den Folgen eines Lungentumors."
Oft gelingt es aber, den Tod zu besiegen: Ein asthmakranker Patient besucht nach einer Kontrolluntersuchung seinen Lebensretter "Doc" Gartner und erinnert sich: "Vor sechs Jahren bewahrte mich Doc vor dem Erstickungstod, nachdem ich mit einer Lungenentzündung und einer Herzschwäche eingeliefert worden war." Der Mediziner ergänzt: "Das war denkbar knapp. Der eigene Schleim drohte den Patienten damals zu erwürgen".
Dauergast seit 20 Jahren
Mit dem 75-jährigen asthmakranken Eduard Smid befindet sich auch ein Langzeitpatient auf der Tagesklinik. "Seit nunmehr 20 Jahren bin ich hier Gast. Allein in einem einzigen Jahr verbrachte ich hier sieben Monate," verrät Smid.
Familiäre Stimmung
Fußballexperte Gartner diskutiert auf der Tagesstation mit einigen an Asthma erkrankten Männern über die letzten EC-Spiele. Die Stimmung ist beinahe familiär. Wenig später berät er einen HIV-Patienten, kurz darauf ist er wieder bei einem Krebskranken zu finden. "Dr. M.G.", wie sein Spitzname lautet, schießt von einem zum anderen, und ist ständig zwischen Leben und Tod unterwegs. Den Krankenschwestern geht es ähnlich: "Wir sind manchmal mit Todgeweihten konfrontiert, darunter sind auch junge Menschen. Für das Pflegepersonal ist das sicherlich ein Problem, das man nach Hause nimmt. Es kommt auch vor, dass wir weinen müssen. Wir bauen uns dann gegenseitig auf"; erzählt Stationsschwester Christa Dragschitz. "Mich verfolgen zeitweise Alpträume in Bezug auf Krebserkrankungen," ergänzt Schwester Doris Lah. Aber auch für die Kranken ist die psychologische Betreuung wichtig. "Neben der medizinischen Behandlung des unheilbaren Krebspatienten sollte er seine letzten Wochen in Würde verbringen. Dazu eignet sich unsere seit 1991 bestehende Tagesstation. Hier kommt der Patient am Morgen und geht nach verabreichter Medikamentation am Abend wieder heim," so Vetter. Eine weitere wesentliche Aufgabe stellt für den Primar die Rehabilitation dar. "Sie beschränkt sich nicht auf wenige Wochen, sondern ist manchmal ein lebenslanger Prozess. Auch sollte für die bisher vernachlässigten alten Patienten ein eigenes Trainingspogramm, das ihnen ein halbwegs normales Leben gewährleistet, angeboten werden. Rehabilitation und Prävention - ich denke dabei an das Rauchen - dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse sein."