"Österreich muss sich als Forschungs-Standort etablieren." | Bemängelt werden hohe Lohnsteuern und schlechte Ausbildung. | Wien. "Österreich bleibt nach wie vor der wichtigste Standort für Unternehmenszentralen, die für Osteuropa verantwortlich sind", sagte René Siegl, Geschäftsführer der Betriebsansiedlungs-Agentur Austrian Business Agency (ABA), bei einer Podiumsdiskussion in Wien.
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Die starke regionale Ausrichtung des Standorts Österreich auf Osteuropa bestätigt eine Erhebung von Headquarters Austria: Rund 300 Unternehmenszentralen ausländischer Konzerne haben sich in Österreich angesiedelt. Über 85 Prozent davon sind für die Region Osteuropa zuständig.
Bei der Anzahl der Unternehmenszentralen hat Wien laut der Studie die Nase vorne: In der Bundeshauptstadt liegen zwei Drittel der Hauptsitze, dahinter folgen Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg. Von den Mutterkonzernen kommt ein Drittel aus Deutschland, ein Fünftel aus den USA und zehn Prozent aus der Schweiz.
Infrastruktur essenziell
"Österreich muss aufpassen, dass es nicht gegenüber seinen osteuropäischen Nachbarn ins Hintertreffen gerät", meint Simone Thomsen, Österreich-Geschäftsführerin des US-Pharmakonzerns Eli Lilly, der hierzulande drei Unternehmenszentralen errichtet hat: "Die östlichen Nachbarländer holen immer mehr bei der Infrastruktur auf, die noch immer eines der wichtigsten Kriterien für die Standortauswahl ist."
Peter Mayerhofer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sieht die Rolle Österreichs als Unternehmensstandort auf dem "Scheideweg": "Der größte Standortvorteil Wiens - die Nähe zu Osteuropa - fällt durch den Aufholprozess Osteuropas weg." Nun sei es für Österreich entscheidend, sich von der bisher verfolgten regionalen Spezialisierung auf Osteuropa weiterzuentwickeln: "Zukunftspotenzial als Standort hat Wien dann, wenn es sich als Forschungszentrum etablieren kann."
Bisher steuern die befragten ausländischen Unternehmen vor allem Marketing und Vertrieb von Österreich aus, nur 23 Prozent der Unternehmensstandorte in Österreich betreiben auch Forschung und Entwicklung.
Die Nachfrage an Osteuropa-Zentralen in Österreich ist jedoch noch immer groß, so Siegl - obwohl sie durch den EU-Beitritt zu vollwertigen Konkurrenten geworden wären. Im Vorjahr haben sich 18 neue Unternehmenszentralen in Österreich angesiedelt, in den ersten zehn Monaten des heurigen Jahres waren es acht.
"Wien ist sehr gut positioniert gegenüber den schärfsten Konkurrenten Prag, Bratislava und Budapest", sagt Siegl. Zahlenmäßig können diese Konkurrenten nicht mit der österreichischen Bundeshauptstadt mithalten: Während in Wien laut der Erhebung 160 Unternehmenszentralen zu finden sind, sind es in Prag, Bratislava und Budapest nur je zwanzig.
Geänderte Kriterien
Die Kriterien für die Standortwahl haben sich in den letzten Jahren geändert. "Vor zwölf Jahren, als unser Konzern sich in Österreich angesiedelt hat, war noch die Infrastruktur und die Nähe zur Region entscheidend. Heute sind es vor allem Steuervorteile, die Ausbildung sowie Stabilität im Land", so Thomsen. Punkten kann Österreich laut den befragten Unternehmen vor allem mit seiner Lage und Infrastruktur sowie mit niedrigen unternehmensbezogenen Steuern.
Klare Schwächen orten die Konzerne aber bei den hohen Lohnnebenkosten. Unzufrieden sind die befragten Unternehmen auch mit der Vergabe von Arbeitsbewilligungen für ausländische Mitarbeiter. "Es ist extrem schwierig, in Österreich Arbeitsgenehmigungen für Mitarbeiter aus EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa zu bekommen. Auch bei der Vergabe von Praktikumsplätzen haben wir immer wieder Probleme", sagt Günther Thumser, Präsident des Konsumgüterkonzerns Henkel Central und Eastern Europe (CEE), der von Wien aus 32 Länder steuert. Auch Mike Borze, Geschäftsführer des High-Tech-Herstellers Benq, berichtet: "Obwohl unser Konzern aus Taiwan stammt, konnten wir es nicht durchboxen, einen Taiwanesen an unseren österreichischen Standort zu holen."
Bemängelt wird auch die mangelnde Mobilität sowie die Ausbildung der Österreicher. Pharmariese Eli Lilly stellt daher in Österreich vor allem Nicht-Österreicher ein: "Wir haben Probleme, hochqualifizierte Österreicher zu finden, die auch im Ausland arbeiten wollen", sagt Thomsen.