Zum Hauptinhalt springen

Standortfaktor Politik

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wie werthaltig die "Studie" des Finanzministeriums ist, wonach 70.000 Jobs seit 2008 verloren gingen, zeigt die - politisch der Finanzministerin - nahestehende Wirtschaftskammer. Die zirka 300 "headquarters" in Wien beschäftigen demnach insgesamt 29.000 Mitarbeiter. Die Zahl wurde publiziert, als sich die Kammer 2011 Sorgen um den Flughafen Wien und seine Funktion als Osteuropa-Drehscheibe machte. Ein freundliches steuerliches Umfeld gehört sicher zu den Sonnenseiten einer Standortentscheidung, doch es gibt auch noch wichtigere. Rasche Erreichbarkeit (Logistik genannt) ist ein solches Kriterium. Und auch die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, auch in den Anwalts- und Wirtschaftstreuhänder-Kanzleien. Ja selbst die soziale und kulturelle Attraktivität einer Stadt ist wichtig dafür.

Und vermutlich auch die Qualität der Politik, auch wenn internationale Konzerne wohl um die Irrationalität von Wahlauseinandersetzungen bestens Bescheid wissen. Daher wird die kuriose Attacke der Volkspartei, die ein düsteres Bild vom Wirtschaftsstandort zeichnet, folgenlos bleiben. Top-Manager werden wissen, dass es sich hierbei um eine noch dazu recht durchsichtige Attacke auf die SPÖ und deren tatsächliche oder vermeintliche Steuerpläne handelt.

Eine Frage wird aber bleiben: Wenn Parteien einem Wahlergebnis zuliebe sogar den eigenen Wirtschaftsstandort schlechtmachen, wo bleibt dann die gemeinsame Basis? Und vor allem: Die ÖVP verkauft die von ihr behaupteten (aber falschen) Job-Verluste als hochoffizielle Studie des Finanzministeriums. Wenn die Parteizentrale das macht, na gut. Aber in entwickelten Demokratien kommen aus Finanzministerien die seriösen Zahlen. Politische Parteien, die sich Ministerien wie Vorfeldorganisation halten, verschrecken Investoren wenigstens so wie Mini-Verschlechterungen bei der Gruppenbesteuerung.

Es ist sehr zu hoffen, dass dies nicht der Auftakt, sondern der Höhepunkt im "Dirty Campaigning" des Wahlkampfes war. Ein Blick auf die Schmutzkübel-Weltmeister des Westens sollte alle sicher machen: In den USA trieb es die "Tea Party" der Republikaner diesbezüglich wirklich wild - die anschließende Wahl gewann Obama überzeugend.