Der Südosten Ägyptens - die Ausläufer der Sahara, das Rote Meer, Beduinen. Wenn man hier ein Hotel betritt, sieht man - von den Touristen einmal abgesehen - vor allem eines: Männer.
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Das Management, das Essen, das Bettenmachen: Alles wird von Männerhand erledigt. Frauen? Fehlanzeige - die sind, so heißt es, zu Hause. Das ist grundsätzlich auch im Lahami Bay Resort an der Küste bei Berenice so. Doch etwas ist hier anders. Ausgerechnet die Leitung des Hotels hat eine Frau übernommen.
Ursula Wolf kam 1993 nach Ägypten, verliebte sich und ließ ihr Leben in Deutschland hinter sich. Blauäugig sei sie nicht gewesen, erklärt sie, denn es war ihr klar, was in dieser stark männlich dominierten Welt auf sie zukommen würde. Sich da durchzusetzen, von Personal und Kollegen akzeptiert zu werden, war alles andere als einfach. "Es gab viele Tränen", erinnert sich Wolf heute. Doch am Ende hat sie sich kompromisslos durchgesetzt und so mancher ihrer Opponenten musste seinen Hut nehmen, weil er sich weigerte, mit einer Frau zusammenzuarbeiten oder gar Anweisungen von ihr zu empfangen.
"Ich bin eine klare Deutsche: Weiß ist Weiß und Schwarz ist Schwarz", sagt Wolf über sich. Das wissen auch ihre 250 Angestellten. Ungewohnt sei das schon ein wenig, hört man unter der Belegschaft, werde aber mittlerweile geschätzt. Die Arbeit ist hart. "So etwas wie Gewerkschaft kennen die hier nicht", erklärt Wolf. Gearbeitet wird an 23 Tagen im Monat und bis zu 16 Stunden am Tag. Aber die Angestellten sind froh, eine Arbeit zu haben.
Geholfen, akzeptiert zu werden, hat Wolf ihr Übertritt zum Islam, eine Religion, mit der sie sich, wie sie sagt, gut identifizieren kann. Eine gewisse Wärme werde ihr als Muslimin schon entgegengebracht. Geholfen haben ihr aber auch die Ermutigungen und Tipps ihres Mannes, einem Rechtsanwalt aus Kairo. Doch die Hauptstadt ist im Vergleich zum Rest Ägyptens eine andere Welt, zumal zur Wüstengegend. "Hier ist die Zeit stehen geblieben", erklärt Wolf.
Das sieht man auch an der Zahl weiblicher Beschneidungen. Trotz eines staatlichen Verbots sind in der Gegend Schätzungen zufolge fast alle Frauen beschnitten, während dies in Kairo "nur" bei rund 75 Prozent der Fall ist. Unterm Strich sind bis zu 95 Prozent aller Frauen in Ägypten beschnitten. Ein Brauch, den auch Wolf vehement ablehnt. Dabei hatte es lange so ausgesehen, als würde sich die ägyptische Gesellschaft weiter öffnen: "Es gab eine Zeit, da habe ich gedacht: ,Die werden richtig modern".
Mittlerweile kippt der Trend aber wieder hin zu Konservativismus. Ein gewisser Gradmesser ist das Tragen des Kopftuchs (das Wolf absolut respektiert). Selbst in Kairo nimmt es in letzter Zeit unter Mädchen wieder zu. In einer traditionellen Welt gelangen Frauen aber kaum auf den Arbeitsmarkt. "Ich hätte gerne Hausmädchen", schwärmt Wolf. In Städten wie Luxor, wo die Mädchen nach getaner Arbeit am Abend nach Hause gehen können, ist das nicht so problematisch. Doch in einem Ort wie Berenice, wo die nächste Stadt zwei Stunden mit dem Bus entfernt ist, wagen es Familien und Ehemänner nicht, die Frauen aus ihrer Obhut zu entlassen.
Ursula Wolf überlegt schon jetzt, wie sie diesem Problem beikommen kann, und plant, einen eigenen Frauentrakt für Angestellte zu bauen. So könnte sie schon bald nicht mehr die einzige weibliche Arbeitskraft in der Gegend sein.