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Starke Frauen stehen ihren Mann

Von Anita Kattinger

Reflexionen
Mit einer roten Lokomotive: Claudia Perthold
© pessenlehner

Längst stehen Frauen alle Türen offen - im Gegensatz zu ihren Müttern und Großmüttern könnten sie jeden erdenklichen Beruf ergreifen. Dennoch wählen Mädchen in den meisten Fällen noch immer Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin. Studentinnen wählen Sprachen oder sozialwissenschaftliche Studien.


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Drei Feuerwehrfrauen

Es braucht oft eine Lupe, um die wenigen Frauen in den sogenannten Männerberufen zu finden: Viktoria Zechmeister hat sich so einen Job ausgewählt. Die 31-jährige Wienerin ist österreichweit die einzige Feuerwehrfrau im Offiziersrang der Berufsfeuerwehr. Heute stehen rund 1750 Feuerwehrmänner drei Feuerwehrfrauen gegenüber. "Mein Vater war in Süßenbrunn bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dort hat es immer nur Männer gegeben. Irgendwann gab es dann die Entscheidung, dass sich auch Frauen bewerben dürfen. Meine Schwester und ich haben uns daraufhin gemeldet", so Zechmeister. Die damals 22-Jährige machte dort die komplette Grundausbildung und hat sich "dabei gar nicht dumm angestellt". Also bewarb sie sich mit einer HTL-Matura und einem Abschluss an einer technischen Fachhochschule in der Tasche bei der Wiener Berufsfeuerwehr. Während des Aufnahmeprozesses erklärten die Ausbildner, dass Zechmeister aufgrund der Testergebnisse und der Voraussetzungen auch gleich die Offizierslaufbahn einschlagen könnte. Zwei Jahre dauerte die Spezialausbildung. Heute ist Zechmeister für die Nachrichtenzentrale zuständig und normalerweise mit dem kleinen Kommandofahrzeug unterwegs. 2008 gab es 35.470 Einsätze in Wien. Das sind im Schnitt 97 pro Tag.

Gibt es einen Unterschied, wenn eine Frau den Job macht? "Nein. Zwar ist die Arbeit körperlich anstrengend. Aber es gibt auch schmächtige Männer." Es würde ja auch niemand einen ausgebildeten Feuerwehrmann fragen, ob er die 45 Kilogramm schwere Ausrüstung packt. Viktoria Zechmeister, selbst mit ihren rund 60 Kilo ein Fliegengewicht, wird wie ihre Kollegen jährlich überprüft. Klar gebe es immer wieder Witze: "Als Frau darf man halt nicht zimperlich oder sensibel sein. Wenn es mal einen Scherz gibt, dann kontere ich mit einem Gegenscherz."

Von der Musical-Tänzerin zur Pilotin

Mit Witzen hat auch Marina Fock in ihrem Job als Pilotin zu kämpfen. Zwar nicht von den Kollegen, dafür aber von den Reisenden. "Die Passagiere reagieren sehr stark. 98 Prozent positiv. Vereinzelt gibt es aber immer wieder Scherze wie: Oh Gott eine Frau...Kann die einparken?" Mit Flyniki hat die 39-Jährige den perfekten Arbeitgeber gefunden: "Ich war sechs Jahre in der Privatfliegerei. Dort ist man Mädchen für alles, muss auch die Koffer der

Passagiere tragen. Es war aber immer mein Traum, Linien zu fliegen. Seit zweieinhalb Jahren fliege ich für Niki. Mittlerweile gibt es hier sechs Pilotinnen." Erst über einige Umwege fand die gebürtige Niederösterreicherin ihren Traumjob. Zuerst schlug sie eine frauentypische Ausbildung mit der Fachschule für Wirtschaftliche Frauenberufe ein, um Sekretärin oder Hotelfachfrau zu werden. Um sich den Traum einer Tänzer-Karriere zu erfüllen, begann Fock nach der Schule aber doch mit einer Musical-Ausbildung. "Eine Zeit lang war das recht lustig. Ich verkauf mich aber nicht gerne und bei Castings muss man das tun. Da kam es gerade recht, dass ich schwanger wurde." Jetzt hatte die junge Frau Zeit, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen.

Die Faszination für Flugzeuge brachte sie auf die Idee, sich als Flugbegleiterin zu bewerben. "Auf den ersten Flügen arbeiten die Neuen noch nicht, sondern sollen mal erleben, wie alles funktioniert. Und sie sitzen auch im Cockpit und erleben Start und Landung." Ab diesem Moment war es geschehen: Marina Fock wollte Pilotin werden. Mit 29 hatte sie es dann geschafft, der österreichische Linienpilotenschein gehörte ihr. Warum sie das alles für den Traumjob auf sich genommen hat? "Ich wollte nie Durchschnitt sein", gibt Marina Fock lächelnd zu.

Von der Bäckerstube in den Führerstand

Ebenfalls nicht Durchschnitt ist Claudia Perthold. Vom Journal-Besuch lässt sie sich nicht ablenken: vor ihr liegt der Fahrplan, seitlich befindet sich der Monitor, mit dem sie den Bahnsteig bei jeder Station beobachtet. Vor mehr als einem Jahr startete die Wienerin mit der Ausbildung zur Lokführerin bei den ÖBB und schloss sie vor kurzem ab. Auch Perthold schlug als 15-Jährige einen anderen Weg ein: "Ich habe eigentlich Konditorin gelernt. Ein schöner Beruf. Mein Cousin hatte Lokführer gelernt, in den Gesprächen hat der Job interessant geklungen." Außerdem: Der Verdienst in einem typischen Männerberuf ist höher und war für Claudia Perthold ausschlaggebend für den Berufswechsel. Nach der Ausbildung gibt es 1300 Euro netto, dazu kommen abhängig vom Dienstplan die Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste.

Die ÖBB rührten in den vergangenen Jahren kräftig die Werbetrommel, um Frauen technische Berufe schmackhaft zu machen. Mit Erfolg: Die Zahl der Lokführerinnen steigerte sich von vier im Jahr 2004 auf 37 im Jahr 2009. Dennoch bleibt Lokführer für viele ein Bubentraum: Von 160 jungen Menschen, die derzeit in Ausbildung sind, sind nur 17 Frauen. Perthold: "Was mir an dem Job auch gefällt, ist die Schnelligkeit und dass ich mit Technik zu tun habe." Ihr Zug auf der S-Bahnlinie fährt mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h. Schneller muss es in der Zukunft dann aber doch nicht sein: "Die Kollegen versuchen, mir den ICE aufzudrängen, weil den noch keine Frau fährt. Aber der normale Schnellzug reicht mir." Wie Feuerwehrfrau Zechmeister meint auch die 28-Jährige: "Zimperlich darf man nicht sein. Bei so vielen Männern muss man schlagfertig sein."

Gegen den Boss kommen die Männer nicht an

Bei Margit Schmidtmayr-Manhardt haben die Eltern eine ganz besondere Rolle gespielt. Denn die 48-Jährige übernahm 1992 als Kfz-Meisterin die elterliche Werkstätte. Heutzutage gelten Autos noch immer als männliches Interessensgebiet. Als das "Journal" bei Schmidtmayr-Manhardt für ein Interview anfragt, reagiert diese überrascht: "Ich verstehe gar nicht, dass Sie mit mir reden wollen. Es ist doch gar nichts Besonderes, was ich mache." Aber gerade in der Kfz-Branche sprechen die Zahlen für sich: In Wien gibt es nur zwei Kfz-Meisterinnen, die ihr eigener Boss sind - sprich eine Werkstätte aufgemacht haben!

"Meine Eltern waren anfangs nicht ganz sicher, ob es das Richtige für mich ist. Deswegen haben sie gesagt: Mach zuerst die Handelsschule fertig, wenn es dich dann noch immer freut, mach die Ausbildung." Gemeinsam mit ihrer Schwester - "die Stütze der Firma" - managt sie die acht Mitarbeiter. Die Kunden reagierten oft heftig, wenn Margit Schmidtmayr-Manhardt im Blaumann vor ihnen stand: "Entweder sind sie weggefahren, wenn sie mich gesehen haben. Oder sie sind neben mir stehen geblieben und haben gewartet, ob die Handgriffe fachmännisch aussehen", erzählt die Kfz-Meisterin lachend. Mittlerweile hat sie den Blaumann abgelegt und kümmert sich um die Büroarbeit. Frauenfeindliche Sprüche von Kollegen kennt sie natürlich nicht: "Als Chefin hat man es leichter. Da muss gemacht werden, was ich sage."