Heute gehen die Verhandlungen über die ÖBB-Reform im Verkehrsausschuss weiter. SP-Chef Alfred Gusenbauer schließt seine Zustimmung zu der heftig umstrittenen Materie nicht mehr aus. Die Regierung scheint zu Zugeständnissen bereit und verspricht nun, eine stärkere Holding zu schaffen. Doch was die SPÖ vielleicht als Verhandlungserfolg verbuchen möchte, war seit jeher geplant und wurde nur aus taktischen Erwägungen seitens der Regierung nie kommuniziert, erläutert ein Insider im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Von einem, der die Strukturreform bestens kennt, jedoch nicht genannt werden will, erfuhr die "Wiener Zeitung", dass die Holding immer schon mit Durchgriffsrechten auf die Töchter ausgestattet werden sollte. Dies hätte Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka immer vorgehabt. "Mir ist schleierhaft, was jetzt mit Pomp und Trara als Verhandlungserfolg gefeiert wird. Sonst bräuchte man ja überhaupt keine Holding."
Der Insider ist über das strategische Ungeschick und die Unwissenheit der Oppositionspartei erstaunt, "da wird etwas verkauft, das eh schon geschenkt war." Aber auch der Eisenbahner-Gewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl könnte damit einen Scheinsieg davontragen. Sollte die SPÖ der ÖBB-Teilung in vier AGs zustimmen - Personen- und Güterverkehr, Infrastruktur Bau und Infrastruktur Betrieb unter einer Holding -, dann würde sie das Finanzdesaster, in welches die Bahn innerhalb kürzester Zeit schlittern werde, mitbesiegeln. Denn die Zahlen mit welchen die Regierung offiziell operiere, seien zwar nicht grundlegend falsch, aber viel zu optimistisch. Sollte nur einer der Pläne nicht aufgehen, was in der Praxis immer der Fall sei, dann könnten die ÖBB in sechs Jahren wieder auf einem Schuldenberg sitzen. "Zwischen 300 und 500 Mill. Euro Minus pro Jahr sind bei nur einigen Prozent Abweichung anzusetzen," rechnet der Kenner vor, der Rechnungshofpräsident Franz Fiedler in seiner Kritik beipflichtet. Schon im nächsten Jahr drohe den ÖBB ein solches Finanzloch. Denn viele Parameter seien überhaupt noch nicht geklärt, etwa die Finanzierung des Generalverkehrsplans. Auch In- & Outsourcingpläne seien zu günstig berechnet. Schon in einem Jahr werde die Bahn mit einem Finanzloch von mindestens 300 Mill. Euro zu kämpfen haben.
Ganz absurd sei es jedoch, jetzt schon die Einsparungen des neuen Dienstrechtes geltend zu machen, wo es doch ein solches noch gar nicht gebe. "Was die Regierung nicht geschafft hat, daran wird sich der Vorstand die Zähne ausbeißen." Da habe sich der ÖBB-Vorstand zu einer Art vorauseilendem Gehorsam hinreißen lassen, ohne zu wissen was auf ihn zukommt. Denn die Politiker würden nun die Verantwortung beim Management abladen, aber nach einem Jahr fragen, "wieso habt ihr nichts zusammengebracht?". Dieses Problem würde auch von Teilen des Vorstands so gesehen.
Zu glauben, dass die Restrukturierungskosten durch die Einsparungen kompensiert werden könnten, sei betriebswirtschaftlich naiv. "Jeder, der je einmal eine Firmensanierung vorgenommen hat, weiß, dass es sich dabei um eine teure Investition handelt. Innerhalb der ersten zwei Jahre laufen nur Kosten auf, die auch durch harte Sparmaßnahmen nicht wettgemacht werden können." Noch dazu, wo das ÖBB-Dienstrecht wenig Spielraum biete. Alles in allem würde mit "Traumziffern" gearbeitet.
Geholfen werde mit dieser Reform zwei starken Lobby-Gruppen: Der Bauwirtschaft, die nun ihre Interessen "unabhängig vom Wohl der Bahn" über die Infrastruktur-Bau AG durchsetzen könne, und den Frächtern. Denn durch die schrittweise Verteuerung der Schienen-Maut verbesserten sich deren "terms of trade".